Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Zahlungsanspruch des Leistungsberechtigten gegen den Grundsicherungsträger wegen zu hoher Erstattungszahlungen des Rentenversicherungsträgers. fehlende Rechtsgrundlage. Erfüllungsfiktion. Bestehen eines Erstattungsanspruchs des Grundsicherungsträgers gegen den Rentenversicherungsträger. Befreiung von der Leistungspflicht gegenüber dem Leistungsberechtigten nur in Höhe des bestehenden Erstattungsanspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die §§ 102 ff SGB X regeln Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger untereinander, aber keine Zahlungsansprüche des Leistungsempfängers gegen einen Sozialleistungsträger. Zahlt der erstattungspflichtige Leistungsträger dem erstattungsberechtigten Leistungsträger einen zu hohen Betrag, wird er im Verhältnis zum Leistungsberechtigten insoweit nicht von seiner Leistungspflicht frei (§ 107 Abs 1 SGB X).

2. Hat der Rentenversicherungsträger als erstattungsverpflichteter Leistungsträger zu Unrecht Zahlungen erbracht, verringern diese den Zahlungsanspruch des Rentenberechtigten nicht.

 

Normenkette

SGB X § 104 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 107; SGB II § 40 Abs. 4 a.F., §§ 40a, 44a Abs. 3; WoGG § 8 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, § 25 Abs. 3 S. 2, Abs. 3 a.F.; BGB § 816 Abs. 2; SGG § 54 Abs. 5

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtsfolgen einer Rentenbewilligung; der Kläger und Berufungskläger (im Weiteren: Kläger) verlangt von dem Beklagten und Berufungsbeklagten (im Weiteren: Beklagter) eine Zahlung in Höhe von 813,47 €.

Der 1964 geborene Kläger bezog seit seinem Zuzug nach B. im Juli 2014 von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Auf Befragen erklärte der Kläger im Mai 2015, er beabsichtige einen erneuten Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen, müsse aber zunächst noch mit verschiedenen Fachärzten Rücksprache nehmen.

Mit Bescheid vom 25. November 2014 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum von Januar bis Juni 2015 monatliche Leistungen in Höhe von 704 € (Kosten der Unterkunft und Heizung [KdUH]: 305 €, Regelleistung: 399 €).

Für die zweite Jahreshälfte 2015 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 25. Juni 2015 zunächst vorläufige Leistungen von 267,45 € für August 2015 und monatlich 434 € für Juli und September bis Dezember 2015. Zwischen den Beteiligten bestand Streit darüber, ob Erlöse aus Münzverkäufen bei Ebay als Einkommen des Klägers anzurechnen waren. Der Beklagte berücksichtigte vorläufig ein um die Versicherungspauschale bereinigtes monatliches Einkommen von 270 €. Im August 2015 rechnete er zusätzlich ein Betriebskostenguthaben an.

Für die erste Jahreshälfte 2016 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 25. November 2015 vorläufige Leistungen von monatlich 709 € (KdUH: 305 €, Regelleistung: 404 €).

Im Widerspruchsverfahren gegen die vorläufige Leistungsbewilligung für die zweite Jahreshälfte 2015 erließ der Beklagte am 21. Januar 2016 einen Bescheid über die endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs nach § 40 SGB II in Verbindung mit § 328 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) und bewilligte nunmehr für die Monate Juli, September, November und Dezember 2015 je 594 € sowie für August 2015 427,45 € und für Oktober 2015 494 €. Er rechnete ein monatliches Einkommen aus Münzverkäufen von 110 € (bzw. im Oktober 2015 von 210 €) sowie im August weiterhin das Betriebskostenguthaben an und erbrachte eine Nachzahlung von insgesamt 860 €. Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein.

Per Email teilte der Kläger dem Beklagten am 7. März 2016 mit, ihm sei eine volle Erwerbsminderungsrente bis zum 31. Juli 2018 bewilligt worden. Die erste Rentenzahlung werde am 1. April 2016 erfolgen.

Am 10. März 2016 ging bei dem Beklagten die Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland (im Weiteren: DRV) vom 26. Februar 2016 ein, nach der dem Kläger auf den Rentenantrag vom 7. August 2015 für die Zeit vom 1. August 2015 bis zum 31. Juli 2018 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt worden sei. Die Rente betrage für den Zeitraum von August 2015 bis Februar 2016 monatlich 766 € brutto bzw. 684,03 € netto. Ab März 2016 ergebe sich ein Nettobetrag von 679,44 €. Die Rentenzahlungen würden ab April 2016 aufgenommen. Für den Zeitraum bis einschließlich März 2016 ergebe sich eine Nachzahlung von 5.467,65 €. Der Beklagte werde gebeten, seinen Erstattungsanspruch getrennt nach Monaten geltend zu machen.

Auf den Widerspruch des Klägers erließ der Beklagte unter dem 11. März 2016 einen Änderungsbescheid zur Leistungsbewilligung für die zweite Jahreshälfte 2015 und gewährte für die Monate Juli und September bis Dezember 2015 monatliche Leistungen von 704 € sowie für August 2015 von 537,45 € - jetzt ohne Anrechnung von Einkommen aus Münzverkäufen - und zahlte weitere 760 € an de...

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