Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung der Bewilligung von Erwerbsminderungsrente wegen Nichtkenntnisnahme des Rentenbescheides

 

Orientierungssatz

1. Eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wird nach § 96a SGB 6 nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird.

2. Hat der Versicherte die Rechtswidrigkeit des ergangenen Rentenbescheides zumindest grob fahrlässig nicht erkannt, so ist der Bewilligungsbescheid auch für die Vergangenheit nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB 10 zurückzunehmen.

3. Eine Obliegenheit, Bewilligungsbescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen, besteht, auch wenn sie nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist (BSG Urteil vom 8. 2. 2001, B 11 AL 21/00 R).

4. Ist der Versicherte in der Lage, sich mit der Nachvollziehbarkeit des ihm erteilten Bescheides auseinanderzusetzen, unterlässt er dies aber, so handelt er grob fahrlässig, mit der Folge, dass der Bewilligungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben ist.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von überzahlter Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit umstritten.

Die  1955 geborene Klägerin absolvierte nach dem 10.-Klasse-Schulabschluss im Juni 1973 die staatliche Abschlussprüfung zur Kindergärtnerin. Seit dem 1. August 1973 war sie als Kindergärtnerin und vom 1. August 1975 an als Erzieherin in einer Kindertagesstätte - nach ihren Angaben im Rahmen einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme im Herbst 2010 (Entlassungsbericht vom 26. Oktober 2010) auch als deren Leiterin - versicherungspflichtig beschäftigt. Zuletzt arbeitete sie in einer von der Stadt S (in Sachsen-Anhalt) betriebenen Kindertagesstätte fünf Stunden täglich/25 Stunden wöchentlich. Vom 20. April 2015 an war sie arbeitsunfähig erkrankt und bezog vom 1. Juni 2015 bis zum 17. Oktober 2018 Krankengeld. Danach erhielt sie nach ihren Angaben keine Sozialleistungen mehr. Auf ihren am 24. September 2015 gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ist ihr diese beantragte Rente - nach zunächst ablehnendem Bescheid und Widerspruchseinlegung durch ihre Prozessbevollmächtigte - rückwirkend bewilligt worden.

Am 31. Januar 2011 hatte die Klägerin erstmals die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten beantragt. Nach Einholung eines Gutachtens der Fachärztin für Innere Medizin/Kardiologie S. vom 15. April 2011 war dieser Antrag von der Beklagten mit dem Bescheid vom 13. Mai 2011 mit der Begründung abgelehnt worden, die Klägerin könne in ihrem bisherigen Beruf als Erzieherin im Bereich Hort/Ganztagsschule weiterhin mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Nachdem die Klägerin hiergegen durch ihre Prozessbevollmächtigte Widerspruch eingelegt hatte, wurde ihr sodann mit Bescheid vom 25. November 2011 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab Januar 2011 bewilligt. Ein Zahlbetrag ergab sich zunächst wegen des erzielten Hinzuverdienstes und der Abrechnung der Nachzahlung mit der Krankenkasse nicht. Ausweislich des Telefonvermerkes vom 31. Januar 2012 äußerte die Klägerin ihr Unverständnis darüber, dass ihr einerseits aufgrund ihres - unter Einschaltung der sie auch in diesem Verfahren vertretende Prozessbevollmächtigte - eingelegten Widerspruchs gegen die Versagung der Rente nunmehr eine Rente zugesprochen worden sei, sie aber andererseits keine Zahlung erhalte. Die Klägerin übersandte - zunächst für das Jahr 2011 durch ihre Prozessbevollmächtigte, danach selbsttätig - anforderungsentsprechend der Beklagten regelmäßig die Bescheinigungen der Stadt S über das ihr - der Klägerin - gezahlte Bruttoarbeitsentgelt, das sie monatlich zunächst in unterschiedlicher Höhe, u.a. wegen des Bezugs von Krankengeld oder Sonderzahlungen, erhielt. Auf dem Vordruck war jeweils unter Punkt 4. anzugeben, wo der Beschäftigungsort liege, entweder in den „alten Bundesländern einschließlich Berlin (West)“ oder in den „neuen Bundesländern einschließlich Berlin (Ost)“, wobei auf allen Bescheinigungen die letztere Variante angekreuzt ist.

Ab Juni 2012 ergab sich dann trotz des Hinzuverdienstes erstmals ein monatlicher Rentenzahlbetrag zunächst i.H.v. 210,69 €.

Nachdem die Arbeitgeberin der Klägerin am 10. März 2014 auf eine fehlerhafte Mitteilung des Bruttoentgeltes für März 2013 hingewiesen hatte - 1.181,31 € anstatt 1.880,29 € -, kündigte die Beklagte eine Neuberechnung an. Hierzu nahm die Prozessbevollmächtigte der Klägerin unter dem 31. März 2014 Stellung. Mit Bescheid vom 12. Mai 2014 berechnete die Beklagte die Rente ab dem 1. März 2013 neu und ermittelte einen monatlichen Zahlbetrag i.H.v. 223,11 € sowie eine Überzahlung für die Zeit vom 1. März 2013 bis zum 30. Juni 2014 i.H.v. 632,01 €. Hierzu teilte die Klägerin dann persönlich am 19. Mai 2014 mit, die Überzahlung von 632,01 € im Rahmen einer Ratenzahlung - mit von ihr vorgeschlagener Höhe der einzelnen R...

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