Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. selbstständige Tätigkeit. Gewinnermittlung. Betriebsausgaben. Verbindlichkeiten aufgrund von früher ausgeübten gewerblichen Tätigkeiten. Rückstellungen aus aktuellen Betriebseinnahmen
Leitsatz (amtlich)
1. Im SGB II findet kein "horizontaler Verlustausgleich" zwischen mehreren Gewerbebetrieben statt.
2. Die Absetzung von Aufwendungen als Betriebsausgaben erfordert neben dem Anfall im aktuellen Bewilligungszeitraum einen sachlichen Zusammenhang zu den in diesem Zeitraum zufließenden gewerblichen Einnahmen.
3. Aus diesen Grundsätzen folgt, dass Aufwendungen eines Selbständigen, welche nicht in einem Zusammenhang mit der aktuell ausgeübten gewerblichen Tätigkeit stehen, sondern wegen einer anderen (ungleichartigen) sowie bereits beendeten Tätigkeit anfallen, nicht als Betriebsausgaben der aktuellen Tätigkeit anerkannt werden können.
4. Selbst gebildete Rückstellungen aus den aktuellen Betriebseinnahmen zur Begleichung von lediglich möglichen, dh noch nicht fälligen, Rückforderungen dieser Einnahmen (hier: Provisionen) sind keine Betriebsausgaben und daher im SGB II nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen werden.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum 1. April bis 30. September 2008.
Der am ... 1971 geborene Kläger zu 2) hatte seit 1999 ein Gewerbe als selbständiger Handelsvertreter bzw. für Finanzdienstleistungen angemeldet. Seitdem war er, bis er im Jahr 2004 erkrankte, als Finanzberater für ein Finanzvertriebsunternehmen tätig. Nachdem er aus einer Krankentageversicherung keine Zahlungen mehr erhielt, beantragte und bezog er mit seiner damaligen Ehefrau, der Klägerin zu 1), sowie den gemeinsamen Kindern, der 1998 geborenen Klägerin zu 3) und der 2003 geborenen Klägerin zu 4), seit Juni 2005 Leistungen nach dem SGB II. Die Miete für die gemeinsam genutzte Wohnung betrug ab dem 1. Oktober 2007 insgesamt 560,14 Euro monatlich (Grundmiete 373,54 Euro, Vorauszahlung Betriebskosten 87,98 Euro, Vorauszahlung Heizkosten 98,62 Euro).
Seit dem 1. Oktober 2006 war der Kläger zu 2) aufgrund eines Agenturvertrages als selbständiger Handelsvertreter/Generalvertreter ausschließlich für die V tätig. Zur Ausübung der Tätigkeit mietete der Kläger zu 2) Büroräume in L.. Er beendete die Tätigkeit im Januar 2008 und kündigte den Agenturvertrag mit Wirkung zum 31. März 2008.
Im Januar 2008 schloss der Kläger zu 2) einen Vertriebsvertrag mit der P. Finanzberatung AG ab und begann diese Tätigkeit im Februar 2008.
Die Kläger beantragten am 26. Februar 2008 die weitere Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 1. April 2008. Kindergeld bezogen sie in Höhe von 308 Euro monatlich. Der Kläger zu 2) gab an, weiter selbständig zu sein. Er prognostizierte, im Zeitraum vom 1. Februar bis 1. April 2008 Einkommen in Höhe von 2.747,41 Euro zu erzielen.
Mit Bescheid vom 7. April 2008 lehnte der Beklagte den Antrag wegen angenommener fehlender Hilfebedürftigkeit aufgrund der Einkommensverhältnisse ab. Er verwies auf die beigefügten Berechnungsbögen für Februar bis August 2008, wonach aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers zu 2) ein bereinigtes anzurechnendes Einkommen von 586,07 Euro für Februar 2008 bzw. 4.330,49 Euro pro Monat ab März bis August 2008 angenommen werde. Hiermit könne - zusammen mit dem Kindergeld - der Gesamtbedarf gedeckt werden. Der Beklagte hatte hierzu u.a. eine Einnahme-Ausgaben-Rechnung des Klägers zu 2) für den Zeitraum Januar bis März 2008 berücksichtigt.
Hiergegen erhob der Kläger zu 2) am 16. April 2008 Widerspruch und führte u.a. aus, er habe im März 2008 niemals die vom Beklagten vor der Bereinigung angenommenen 4.705,49 Euro verdient. Am 16. April 2008 reichte er eine Einnahme-Ausgaben-Aufstellung für die Monate Februar bis August 2008 ein, in der er nur Verluste auswies. Der Beklagte erkannte nicht alle geltend gemachten Betriebsausgaben an und errechnete deshalb einen monatlichen Gewinn von 4.634,31 Euro.
Nachfolgend reichte der Kläger am 9. Juni 2008 seine Einnahmen-Überschuss-Rechnung für den Zeitraum ab Februar bis Mai 2008 ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2008 wies der Beklagte den Widerspruch gegen die Ablehnung zurück, wobei er den Bewilligungszeitraum nun auf den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2008 festsetzte. Er gehe für die Monate Februar bis Mai 2008 von Einnahmen in Höhe von insgesamt 8.976,94 Euro aus, wovon 2.060,44 Euro wegen notwendiger Ausgaben abzuziehen seien. Ausgaben, deren Notwendigkeit sowie die ausschließlich gewerbliche Nutzung bzw. Verwendung nicht nachgewiesen worden seien, würden nicht anerkannt. Bei den geltend gemacht...