Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Arbeitslosengeldes. Beschäftigung im Beitrittsgebiet. Anwendung der Leistungsbemessungsgrenze bei Anspruch aus Europarecht
Orientierungssatz
Das Arbeitslosengeld bemisst sich auch dann nach der im Beitrittsgebiet geltenden niedrigeren Leistungsbemessungsgrenze, wenn der Anspruch auf dem Recht der Europäischen Gemeinschaften beruht, ohne das eine innerstaatliche Anwartschaft gegeben ist.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes.
Der ... 1958 geborene Kläger ist niederländischer Staatsbürger. Als Beschäftigter einer niederländischen Firma arbeitete er vom 22. Mai 1995 bis zum 30. September 1997 als Bauleiter in L. Seine Arbeitgeberin führte dort für deutsche Auftraggeber ein Bauprojekt aus, für dessen Realisierung der Kläger verantwortlich war. Der Kläger hatte während der Zeit der Beschäftigung eine Wohnung in L. Daneben behielt er seine Wohnung in den Niederlanden bei, die er häufig -- vorwiegend am Wochenende -- aufsuchte. Beiträge zur deutschen Sozialversicherung für die vom Kläger aus seiner Beschäftigung vom Mai 1995 bis Ende September 1997 erzielten Entgelte zahlten weder er noch seine niederländische Arbeitgeberin.
Am 25. November 1997 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Auf seiner Lohnsteuerkarte war die Steuerklasse I ohne Kinderfreibetrag eingetragen. Zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung wohnte der Kläger in ... K in Sachsen-Anhalt, wo er auch seinen ersten Wohnsitz gemeldet hatte.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 1997 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, die Anwartschaftszeit sei nicht erfüllt. Es könnten nur Zeiten berücksichtigt werden, in denen die Beschäftigung einer Beitragspflicht unterlegen hätte. Hiergegen erhob der Kläger am 8. Januar 1998 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 1998 als unbegründet zurückwies.
Der Kläger hat am 27. Februar 1998 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben. Die Beklagte hat im Verfahren den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach für 312 Tage anerkannt. Mit Bescheid vom 9. September 1998 hat die Beklagte Arbeitslosengeld für die Zeit vom 25. November bis 31. Dezember 1997 bewilligt. Dabei ging sie für die Bemessung nicht von dem zuletzt vom Kläger erzielten Arbeitsentgelt, sondern von einem fiktiv als Bauingenieur erzielbaren Einkommen in Höhe von 10.332,00 DM monatlich aus. Davon legte sie der Leistungsbemessung nur ein wöchentliches Bruttoarbeitsentgelt von 1.660,00 DM zugrunde. Bei Ansatz der Leistungsgruppe A ergab dies einen wöchentlichen Zahlbetrag von 504,60 DM. Mit einem weiteren Bescheid vom 11. September 1998 hat die Beklagte für die Zeit ab dem 1. Januar 1998 Arbeitslosengeld für noch 327 Tage in Höhe von 499,80 DM wöchentlich bewilligt. Dabei legte sie der Leistungsbemessung bei ansonsten unveränderten Daten ein wöchentliches Bruttoarbeitsentgelt von 1.630,00 DM zugrunde.
Der Kläger hat die Bewilligungen als Teilanerkenntnis angenommen und begehrt, ihm höheres Arbeitslosengeld zu gewähren. Zur Begründung hat er vorgetragen, das Arbeitsentgelt dürfe nicht nur bis zur Leistungsbemessungsgrenze Ost berücksichtigt werden. Hierin liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot im Sinn der EWG-Verordnung. Es werde eine Unterscheidung aufgrund des Wohnorts nach Deutschland-Ost und Deutschland-West vorgenommen. Dies führe dazu, dass die Leistung niedriger sein könne als bei einem Deutschen.
Das Sozialgericht Halle hat die Klage mit Urteil vom 16. Februar 2000 als unbegründet abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Der Kläger habe zwar in keiner die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden, doch habe er nach der EWG-Verordnung 1408/71 einen Anspruch auf Leistungen nach dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Recht. Die Anwendung der Leistungsbemessungsgrenze für das Beitrittsgebiet ergebe sich daraus, dass der Kläger dort seinen Wohnsitz habe. Er werde damit nicht anders behandelt als Inländer. Eine Diskriminierung liege nicht vor.
Gegen das am 6. März 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. April 2000 Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, er werde durch die Anwendung der Leistungsbemessungsgrenze Ost diskriminiert. Das in Art. 39 EG-Vertrag geregelte Freizügigkeitsrecht besage, dass jeder Staatsangehörige eines Mitgliedsstaats in einem anderen Mitgliedsstaat einer Beschäftigung nachgehen könne. Alle Regelungen, durch die sich eine Situation ergebe, die es den Wanderarbeitnehmern als weniger attraktiv erscheinen lassen könne, ihren Herkunftsstaat zu verlassen, und sie dadurch davon abhalte, behinderten das Freizügigkeitsrecht und stellten einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 der VO(EWG) Nr. 1408/71 dar. Vorliegend sei eine versteckte Diskriminierung ...