Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. vorläufige Entscheidung wegen unklarem Einkommen. endgültige Festsetzung. Erstattung erbrachter Leistungen nach abschließender Entscheidung. Bewilligungszeitraum vor dem 1.8.2016. vierjährige Verjährung. Verwirkungsverhalten. keine Ausschlussfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Nach Wegfall der Voraussetzungen für die vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat der Leistungsträger nach der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Rechtslage eine abschließende Entscheidung über die Leistungen zu treffen, wenn die berechtigte Person dies beantragt oder die vorläufige Bewilligung abzuändern bzw. aufzuheben ist.
2. Hieraus resultierende Erstattungsansprüche verjähren in vier Jahren nach Bestandskraft der endgültigen Festsetzung.
3. Das bloße Unterlassen der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen führt nicht zur Verwirkung dieser Ansprüche.
4. Bei der Rückforderung zu viel gezahlten Grundsicherungsleistungen nach endgültiger Leistungsfestsetzung bestehen für den Zeitpunkt der endgültigen Leistungsfestsetzung nach vorläufiger Leistungsgewährung nach der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Rechtslage keine Ausschlussfristen.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 14. März 2017 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die endgültige Festsetzung und Erstattung von Leistungen für die Monate Juni bis Oktober und Dezember 2007.
Der am ... 1969 geborene und seinerzeit im Haus seiner Eltern wohnende Kläger und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Kläger) beantragte erstmals am 8. Dezember 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). In diesem Zusammenhang machte er keine konkreten Bedarfe der Unterkunft und Heizung geltend und teilte mit, dass er bis zum 1. Dezember 2006 ein kalendertägliches Arbeitslosengeld I in Höhe von 14,65 EUR erhalte.
Daraufhin bewilligte der Beklagte und Berufungskläger (im Folgenden Beklagter) mit Bescheid vom 16. Januar 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 8. Dezember 2006 bis zum 31. Mai 2007, wobei sich die Bewilligung auf die Regelleistung beschränkte. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Veränderungsmitteilung vom 30. April 2007 teilte der Kläger mit, zum 1. Mai 2007 eine selbstständige Tätigkeit mit einem Hausmeister- und Dienstleistungsservice in der Bau-, Land- und Forstwirtschaft aufzunehmen. Er gehe davon aus, einen Gewinn in Höhe von 100 EUR monatlich zu erzielen. An diesem Tag sprach der Kläger nach den Angaben des Beklagten auch persönlich vor, wobei ihm ausweislich eines Aktenvermerks auch Fragen zum weiteren ALG II-Bezug sowie zum Versicherungsschutz in der Kranken- und Pflegeversicherung beantwortet wurden. Nach den Angaben des Beklagten kontaktierte der Kläger ihn erst wieder am 6. August 2007, da dieser von seiner Krankenkasse mit Schreiben vom 5. August 2008 über das Ende seines Krankenversicherungsschutzes informiert worden war. Nach Lage der Akten informierte der Beklagte ihn über den fehlenden Antrag und händigte ihm die Antragsunterlagen aus. Anschließend beantragte der Kläger mit Fortzahlungsantrag vom 7. August 2007 erneut Grundsicherungsleistungen, wobei er angab, dass - mit Ausnahme der Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit - keine Änderungen eingetreten seien.
In der Folge bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 21. August 2007 nahtlos - rückwirkend zum 1. Juni 2007 - vorläufig Grundsicherungsleistungen bis zum 30. November 2007, wobei er für Juni 2007 die Regelleistung i.H.v. 345 EUR und für die folgenden Monate Juli bis November i.H.v. 347 EUR monatlich ohne Anrechnung von Einkommen bewilligte. Bedarfe der Unterkunft und Heizung berücksichtigte er aufgrund der (fehlenden) Angaben des Klägers wiederum nicht. Darüber hinaus bewilligte er einen befristeten Zuschlag gemäß § 24 SGB II in Höhe von monatlich 63 EUR.
Mit Schreiben vom 22. August 2007 forderte der Beklagte den Kläger unter anderem auf, eine betriebswirtschaftliche Analyse seit Beginn der Selbstständigkeit einzureichen sowie seine Bankverbindung mitzuteilen. Daraufhin reichte der Kläger am 28. September 2007 vorläufige betriebswirtschaftliche Auswertungen für die Monate Mai bis Juli 2007 ein.
Der Beklagte erließ unter dem 4. Oktober 2007 einen Änderungsbescheid für November 2007, weil nunmehr eine Kontonummer vorliege. Dieser Bescheid enthielt keinen Hinweis mehr auf die Vorläufigkeit der Entscheidung.
Aufgrund des am 5. November 2007 beim Beklagten eingegangenen Fortzahlungsantrags vom 17. Oktober 2007, in welchem der Kläger erneut erklärte, es seien keine Änderungen eingetreten, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 15. November 2007 unter anderem für Dezember 2007 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der Regelleistung von 347 EUR sowie einen befristeten...