Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts. Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle auf den Rücknahmebescheid bei Bestandskraft des ursprünglichen Bewilligungsbescheides. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Auszubildende. Beginn des Leistungsausschlusses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Aufhebung nach § 45 SGB 10 führt die Bestandskraft der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung dazu, dass Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle nur die angefochtene Aufhebungsentscheidung und der dieser zu Grunde liegende Sachverhalt sind. Denn die sich aus der Bestandskraft (§ 77 SGG) der ursprünglichen Leistungsbewilligung ergebende Bindungswirkung umfasst auch die Bedarfsberechnung. Über § 45 SGB 10 erfolgt keine allgemeine Fehlerkorrektur, wenn der Leistungsbezieher keine Einwendungen gegen die ursprüngliche Leistungsbewilligung erhoben hat, die als Antrag nach § 44 SGB 10 anzusehen wären.

2. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 SGB 2 greift ab dem Tag des Beginns der Ausbildung, auch wenn gemäß § 15 BAföG Ausbildungsförderung bereits ab Monatsanfang geleistet wird. Denn § 41 Abs 1 S 1 SGB 2 sieht eine kalendertägliche Leistungsgewährung vor.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.03.2013; Aktenzeichen B 4 AS 59/12 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. März 2008 wird abgeändert.

Der Bescheid des Beklagten vom 15. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2006 wird aufgehoben, soweit die Leistungsbewilligung vom 5. September 2005 für die Zeit vom 6. bis 24. August 2005 aufgehoben und eine Erstattung von mehr als 2.674,23 EUR gefordert wird.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die der Klägerin entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten hat der Beklagte zu 11% zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides für den Zeitraum vom 6. August 2005 bis Januar 2006.

Die am 13. August 1983 geborene ledige Klägerin, die im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr bei ihren Eltern wohnte, bezog nach einer Ausbildung zur Bürokauffrau bis 5. August 2005 Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches - Arbeitsförderung (SGB III) in Höhe von 11,99 EUR/Kalendertag. Am 27. Juli 2005 teilte sie ihrem Arbeitsvermittler bei der Agentur für Arbeit mit, dass sie ab 25. August 2005 eine berufsbildende Schule (BbS) besuchen werde, um die Fachhochschulreife zu erwerben. Im anlässlich dieser Vorsprache vom Arbeitsvermittler gefertigten Vermerk heißt weiter: " auf Antragstellung AlgII hingewiesen. auf Wunsch Arbeitsbescheinigung und Kopie LSK 05 an 131.21 weitergeleitet. ". Nach Auskunft des Beklagten ist mit "131.21" der SGB III-Leistungsbereich gemeint.

Ebenfalls am 27. Juli 2005 beantragte die Klägerin beim Beklagten Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Im Antragsformular, das sie unter dem 1. August 2005 ausgefüllt hatte, gab sie an, keine Ausbildung zu absolvieren. Ferner gab sie unter Punkt VI an, sie verfüge über kein Einkommen. Den Punkt IX ("Sonstige Ansprüche gegenüber Arbeitgeber, Sozialleistungsträger und Schadenersatzansprüche") füllte sie nicht aus.

Mit Wirkung zum 15. August 2005 unterzeichnete sie einen Mietvertrag über eine 45 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung, für die sie monatlich 200 EUR Grundmiete zzgl. 60 EUR Betriebs- und Nebenkosten zu zahlen hatte, nachdem sie zuvor zur Untermiete gewohnt hatte, wofür sie eine monatliche Pauschalmiete von 180 EUR zu zahlen hatte.

Am 22. August 2005 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), wobei sie die Beantragung von SGB II-Leistungen unerwähnt ließ. Leistungen nach dem BAföG wurden ihr mit Bescheid vom 30. November 2005 für die Monate August 2005 bis Juli 2006 unter Berücksichtigung eines monatlichen Grundbedarfs von 417 EUR und Unterkunftskosten von 64 EUR unter Anrechnung des Einkommens ihrer Eltern in Höhe von 297 EUR/Monat vorbehaltlich einer erneuten Einkommensprüfung bewilligt.

Bereits mit Bescheid vom 5. September 2005 bewilligte ihr der Beklagte Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 6. August 2005 bis Januar 2006 in Höhe von 511 EUR/Monat. Dabei berücksichtigte er monatlich neben der Regelleistung in Höhe von 331 EUR die Kosten für die Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe von 180 EUR. Für August 2005 gewährte er jeweils anteilige Leistungen in Höhe von insgesamt 442,87 EUR.

Erstmals mit dem Fortzahlungsantrag vom 2. Februar 2006 gab die Klägerin schriftlich den Bezug von BAföG ab August 2005 an. Mit Schreiben vom 15. Februar 2006 hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 6. August 2005 bis 31. Januar 2006 und zur Rückforderung von 2.997,87 EUR an. Sie erhalte ab August 2005 BAföG und habe daher keinen L...

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