Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung einer Gesellschafterin für Beitragsschulden einer Vor-GmbH. beitragsrechtlicher Haftungsbescheid bei sog unechter Vorgesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung eines "Beitragsbescheides" als Haftungsbescheid und zu dessen hinreichender Bestimmtheit.
2. Zur persönlichen Haftung der Gesellschafterin einer sog "unechten Vorgesellschaft", wenn diese Gesellschaft mit Wissen der Gesellschafterin über Monate hinweg ihre Geschäftstätigkeit ausgeübt hat, ohne einen Antrag auf Eintragung der GmbH in das Handelsregister zu stellen.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 25. November 2008 - S 12 KR 66/05 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2005 wird teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Die Klägerin hat der Beklagten gesamtschuldnerisch Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 12.789,20 EUR zuzüglich Säumniszuschläge in Höhe von 5.451,50 EUR sowie Mahn- und Pfändungsgebühren iHv 244,45 EUR zu zahlen.
2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird auf 12.844,22 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Haftung einer Gesellschafterin für Beitragsschulden der Vor-GmbH.
Die Klägerin schloss am 28. April 1998 gemeinsam mit ihrem Ehemann sowie den Eheleuten K einen notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag über die Gründung der HSD H. S. D. GmbH (HSD GmbH iG). Jeder der vier Gründungsge-sellschafter hielt 25 % des Stammkapitals von 50.000,00 DM. Gemäß notariell beurkundetem Änderungsvertrag vom 11. Mai 1998 schied der Gesellschafter Ehemann K aus; zugleich trat der Gesellschafter M in die Gesellschaft ein. Die Anteile wurden auf 40 % für die Ehefrau K und 20 % für die übrigen drei Gesellschafter festgesetzt. Geschäftsführer waren und blieben der Ehemann K und der Ehemann der Klägerin.
In den Monaten Mai bis August 1998 beschäftigte die HSD GmbH iG insgesamt zehn Arbeitnehmer (vgl. die Aufstellung auf S. 4 des erstinstanzlichen Urteils). Gesamtsozialversicherungsbeiträge wurden nicht abgeführt. Die Beklagte errechnete für die zehn Beschäftigten im vorgenannten Zeitraum Gesamtsozialversicherungsbeiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung iHv 25.015,24 DM (entspricht 12.790,09 EUR). Diese Beitragsforderung ergibt sich aus den Beitragsnachweisen der HSD GmbH iG gegenüber der beklagten Krankenkasse.
Die Gesellschafterversammlung der HSD GmbH iG beschloss in ihrer Sitzung am 10. August 1998, die Gesellschaft mit Wirkung zum 31. August 1998 zunächst zum Ruhen zu bringen. Außerdem heißt es im Protokoll:
"Durch fehlendes Eigenkapital zur Gründung einer GmbH wird beschlossen, dass während einer Frist von einem Jahr die Gesellschafter die Möglichkeit der Aufbringung von finanziellen Mitteln, die zur Gründung einer GmbH benötigt werden, zu gewähren" (Bl 152 Gerichtsakte = GA).
Zum 31. August 1998 meldete die HSD GmbH iG sämtliche Arbeitnehmer bei der Beklagten ab. Gemäß notariellem Protokoll erklärten die Gründungsgesellschafter der HSD GmbH iG am 29. März 1999:
"Die Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister konnte bisher noch nicht erfolgen, da die Stammeinlageverpflichtung teilweise nicht erfüllt werden konnte."
Zugleich hoben die Gesellschafter den GmbH-Gründungsvertrag nebst Änderungen einvernehmlich auf (Bl 153 - 154 GA).
Nach gesonderten Anhörungen der Klägerin und ihres Ehemanns (Bl 133 Verwaltungsakte = VA) erließ die Beklagte gegen die Eheleute jeweils Haftungsbescheide vom 21. Januar 2002 für Gesamtsozialversicherungsbeiträge der HSD GmbH iG aus der Zeit vom 1. April 1998 bis zum 31. August 1998 in Höhe von 18.393,77 EUR ein-schließlich Säumniszuschlägen, Kosten und Gebühren (Bl 34 GA). Ferner richtete sie unter dem 27. Februar 2002 jeweils Mahnungen an die Eheleute über den Betrag von 18.654,77 EUR (Bl 150 VA). Daraus ergibt sich, dass der Forderung Beitragsrückstände iHv 12.844,22 EUR zzgl Säumniszuschlägen (5.586,10 EUR) und Mahngebühren (224,45 EUR) zugrunde lagen. In der Folgezeit versuchte die Beklagte vergeblich, gegen die Klägerin und ihren Ehemann aus dem Haftungsbescheid zu vollstrecken. Ein Antrag des Finanzamtes auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin wurde im Oktober 2002 mangels Masse abgelehnt (Bl 219 VA). Zuletzt wurde die Klägerin unter dem 10. März 2003 von der Gerichtsvollzieherin zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung geladen. Der Ladung beigefügt war eine detaillierte Forderungsaufstellung der Beklagten vom 19. Dezember 2002 (Bl 231, 250 VA).
Auf den Einwand der Klägerin, den Bescheid vom 21. Februar 2002 nicht erhalten zu haben, leitete die Beklagte den Bescheid deren Bevollmächtigten am 24. März 2003 zu. Zur Erledigung einer Vollstreckungsabwehrklage der Klägerin...