Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsnachforderung. Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung angestellter Rechtsanwälte durch den Arbeitgeber. beitragspflichtiges Arbeitsentgelt. Sicherstellung einer weitgehenden Übereinstimmung mit Steuerrecht. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Die Beitragserhebung verwirklicht auch den gesetzgeberischen Auftrag des § 17 Abs 1 S 2 SGB 4, eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen.
2. Anhaltspunkte für eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG im Vergleich zur Gruppe der Steuerberater liegen nicht vor.
3. zu Leitsatz 1 vgl BFH vom 26.7.2007 - VI R 64/06 = BFHE 218, 370
4. zu Leitsatz 2 vgl FG Nürnberg vom 27.2.2019 - 5 K 1199/17
Leitsatz (amtlich)
1. Die Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung angestellter Rechtsanwälte durch den Arbeitgeber führt zu beitragspflichtigem Arbeitsentgelt gemäß §§ 14 Abs 1, 17 Abs 1 S 2 SGB IV iVm § 1 S 1 SvEV, weil diese gemäß § 51 BRAO zum Abschluss der Versicherung verpflichtet sind und deshalb ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers ausscheidet.
2. Die gilt auch im Hinblick auf die Höhe der übernommenen Beiträge, soweit sie für einen die Mindestversicherungssumme übersteigenden Versicherungsschutz aufgewendet wurden.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 19. Mai 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.563,11 EUR festgesetzt. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Beitragsnachforderung der Beklagten, die auf vom Kläger übernommenen Kosten der Berufshaftpflichtversicherung für die beigeladenen Rechtsanwälte zu 11. bis 16. beruht.
Der Kläger war zunächst einer von drei Partnern der Anwaltskanzlei. Ab dem 1. April 2009 war er alleiniger Inhaber der Kanzlei und damit alleiniger Arbeitgeber der Beigeladenen zu 11. bis 16. Auf dem Briefkopf der Kanzlei wurden diese als angestellte Rechtsanwälte ausgewiesen. Für die Berufshaftpflichtversicherung fielen im Quartal 1.417,20 EUR zzgl. 19 % Versicherungssteuer je Rechtsanwalt an. Dabei war eine Deckungssumme von 2.000.000 EUR pro Versicherungsfall und 4.500.000 EUR pro Versicherungsjahr vorgesehen. Bei einer Versicherung von 250.000 EUR pro Versicherungsfall hätte der Beitrag für die Versicherung ausweislich einer Email der G. AG vom 21. Januar 2014 bei 504,66 EUR je Rechtsanwalt gelegen.
Die Beklagte nahm in der Zeit vom 10. April bis zum 3. Mai 2013 eine Betriebsprüfung nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) in der Kanzlei des Klägers vor. Nach der Betriebsprüfung hörte sie mit Schreiben vom 6. Mai 2013 den Kläger im Hinblick auf Nachforderungen zur Sozialversicherung für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2012 in Höhe von insgesamt 5.563,11 EUR an. In diesem Betrag seien Säumniszuschläge in Höhe von 786,50 EUR enthalten. Sie erläuterte, dass gemäß § 51 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) für jeden Rechtsanwalt die gesetzliche Pflicht bestehe, eine Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden abzuschließen. Solche Versicherungen seien für alle Rechtsanwälte der Kanzlei des Klägers abgeschlossen worden. Im Jahr 2009 seien für die angestellten Rechtsanwälte die Versicherungsbeiträge für die Haftpflichtversicherung noch in den Gehaltsabrechnungen ausgewiesen gewesen und als einmalig gezahlte Entgelte bewertet worden. 2010 bis 2012 habe die Versicherungsbeiträge hingegen allein der Arbeitgeber getragen und sie seien in den Gehaltsabrechnungen unberücksichtigt geblieben. Damit seien auch Beitragsabführungen zur Sozialversicherung unterblieben. Diese Beiträge seien jedoch geldwerte Vorteile und daher versicherungspflichtig. Da eine Zahlung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht erfolgt sei, seien auch Säumniszuschläge zu zahlen.
Unter dem 21. Mai 2013 teilte der Kläger auf diese Anhörung mit, die Übernahme der Haftpflichtversicherungsbeiträge erfolge ausschließlich im Interesse des Kanzleiinhabers. Es handle sich nicht um Arbeitslohn, sondern um eine notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung. Die Versicherung der Arbeitnehmer liege jedenfalls im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers. Eine Gruppenversicherung für die Kanzlei sei nicht möglich. Die Personenbezogenheit der Berufshaftpflichtversicherung sei vom standesrechtlichen Anwaltsbild geprägt, das von der selbstständigen eigenverantwortlichen Tätigkeit des Anwalts bestimmt werde. Gegenüber Steuerberatern sei eine unzulässige Ungleichbehandlung festzustellen, da die Kosten der Versicherungen für diese nicht verbeitragt würden, wenn sie der Kanzleiinhaber zahle.
Mit Bescheid vom 8. Juli 2013 forderte die Beklagte von dem Kläger Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 5....