Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen voller Erwerbsminderung im Sinn des Rentenrechts

 

Leitsatz (redaktionell)

Wer noch körperlich leichte Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen sechs Stunden und mehr täglich verrichten kann, ist – auch bei weiteren Leistungseinschränkungen – nicht voll erwerbsgemindert im Sinn des Rentenrechts.

 

Normenkette

SGB VI § 43 Abs. 2 S. 2

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist noch die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig, nachdem die Beklagte der Klägerin inzwischen eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Sechstes Buch Sozialgerichtsgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) bewilligt hat.

Die am ... 1952 geboren Klägerin durchlief von 1969 bis 1972 erfolgreich eine Ausbildung zur Krankenschwester und war zunächst im erlernten Beruf bis 1973 beschäftigt. Danach arbeitete sie als Küchenhilfe, absolvierte erfolgreich eine Ausbildung zum Koch und war von 1977 bis 1988 als Köchin tätig. Von 1988 bis 1990 arbeitete die Klägerin wiederum als Krankenschwester im Betriebsgesundheitswesen, von April 1991 bis August 2002 in einem Alten- und Pflegeheim und von September 2002 bis Juni 2003 in der stationären Kurzzeitpflege. Bereits ab 17. Februar 2003 war sie arbeitsunfähig erkrankt, bezog bis Oktober 2004 Krankengeld, dann kurzeitig Arbeitslosengeld I und ab dem 1. Juli 2007 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Seit September 1995 ist bei der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt.

Sie beantragte am 20. August 2003 die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung wegen Wirbelsäulenbeschwerden. Die Beklagte zog zunächst das sozialmedizinische Gutachten von Dr. N. vom 14. Juli 2003 für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Sachsen-Anhalt bei. Danach bestünden bei der Klägerin ein Lumbalsyndrom nach Bandscheibenvorfall und Operation L4/L5 links vom 5. Mai 2003. Hierdurch sei eine wesentliche Verbesserung der Beschwerden nicht eingetreten. Derzeit könnten Arbeiten mit längerem Stehen, Gehen sowie schwerem Heben und Tragen oder Arbeiten in Zwangshaltungen der Wirbelsäule nicht mehr ausgeübt werden; zukünftig wäre eine körperlich leichte Tätigkeit im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen wieder möglich. Eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme sollte eingeleitet werden, wenn nicht andere therapeutische Optionen durch die Neurochirurgen als erforderlich angesehen würden. Ferner lag der Beklagten der Operations- und Behandlungsbericht über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 5. bis zum 8. Mai 2003 durch die Belegärzte Dres. M. und P. im Sankt Marienstift M. vor. Vom 9. September bis zum 6. Oktober 2003 führte die Klägerin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in Bad Salzelmen durch. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 13. Oktober 2003 seien als Diagnosen eine anhaltende Lumboischialgie links bei Zustand nach Bandscheibenoperation L4/L5 links im Mai 2003, ein rezidivierendes Zervikobrachialsyndrom beidseits bei bekanntem Bandscheibenvorfall C5/C6, eine Epicondylitis humeri radialis rechts, eine Hypertonie sowie ein Diabetes mellitus Typ IIb gestellt worden. Als Krankenschwester im Bereich der Altenpflege sei die Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich einsetzbar. Aus orthopädischer Sicht könne bei positivem Verlauf der Genesung davon ausgegangen werden, dass der Klägerin körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen sechs Stunden und mehr in Tages-/Früh-/und Spätschicht zumutbar seien. Häufige Überkopfarbeiten, Fehlhaltungen der Wirbelsäule, insbesondere starkes Bücken und verdrehte Körperpositionen, sowie Heben und Tragen schwererer Lasten müssten vermieden werden. Aufgrund des Diabetes mellitus und der Hypertonie sollte ein regelmäßiger Tagesablauf gewährleistet sein. Bei der Entlassung habe weiterhin eine deutliche radikuläre Symptomatik im linken Bein bestanden, die neurologische Verlaufskontrollen einschließlich multimodaler Schmerztherapie, gegebenenfalls auch eine erneute Operation, notwendig machen würden. Kontroll- und behandlungsbedürftig seien auch die anhaltenden Beschwerden im Bereich beider Arme bei bekanntem älterem zervikalem Bandscheibenvorfall erschienen.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Dezember 2003 den Rentenantrag ab. Zwar sei die Erwerbsfähigkeit durch die im Reha-Entlassungsbericht genannten Diagnosen eingeschränkt und mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne auch nicht mehr der angelernte Beruf als Krankenschwester im Bereich der Altenpflege ausgeübt werden; die Klägerin sei jedoch auf ihr zumutbare Verweisungstätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verweisbar. Hiergegen legte die Klägerin am 19. Januar 2004 Widerspruch ein. Sie könne nicht mehr täglich sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten verrichten. Eine Wegstrecke v...

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