Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht zur Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes bei einem arbeitstäglich noch sechsstündigem Leistungsvermögen
Orientierungssatz
1. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB 6 nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
2. Der Arbeitsmarkt gilt trotz eines sechsstündigen arbeitstäglichen Leistungsvermögens als verschlossen bei einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung bzw. einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, wenn der Versicherungsträger einen konkreten Arbeitsplatz nicht benennen kann, vgl. BSG, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95.
3. Der Arbeitsmarkt gilt u. a. dann als verschlossen, wenn einem Versicherten die sog. Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört nämlich auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Solange die Wegefähigkeit gegeben ist, gilt insoweit die Erwerbsfähigkeit als nicht in beachtlichem Maße eingeschränkt und die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht erforderlich, vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 17. August 2010 geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Voraussetzungen für die Weitergewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. April 2007 hinaus bis zum 31. Dezember 2010 nach dem Sechsten Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).
Der am ... 1953 geborene Kläger durchlief nach dem Abschluss der 8. Schulklasse von September 1968 bis Juli 1970 eine Ausbildung zum Fluchtenmaurer. Er arbeitete anschließend von September 1970 bis Mai 1972 und wieder, nach Ableistung seines Grundwehrdienstes bei der NVA, von November 1973 bis Dezember 1978 als Maurer und von Januar 1979 bis April 1997 als Betriebshandwerker, Heizer, Kraftfahrer und zuletzt als Posttechniker. Er war anschließend arbeitslos, nahm von Mai 1999 bis Januar 2000 an einem Lehrgang "Fachqualifikation für Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten im Baugewerbe" teil und war von September 2000 bis Februar 2001 im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit landschaftspflegerischen Arbeiten beschäftigt. Vom 17. Juni bis zum 30. September 2002 war er bei der RVB Renovierungs-, Verwaltungs-, BetriebsGmbH in D./H. beschäftigt; ausweislich des Arbeitsvertrages vom 6. Juni 2002 verrichtete er "Tätigkeiten im Bereich der Hausmeistertätigkeit". Zuletzt war der Kläger vom 21. Oktober 2002 befristet bis zum 7. November 2002 als Gabelstapler beschäftigt. Er bezog dann Leistungen der Arbeitsverwaltung bzw. Krankengeld. Er war von 1967 bis 2003 aktives Mitglied der freiwilligen Feuerwehr, danach - aus gesundheitlichen Gründen - nur noch Ehrenmitglied.
Beim Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 anerkannt.
Der Kläger stellte am 30. September 2003 einen Antrag auf Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt (LVA), deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, zog zunächst den Entlassungsbericht der T. Fachklinik über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme des Klägers vom 14. Mai bis zum 4. Juni 2003 bei. Danach erlaube das körperliche Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit in möglichst wechselnder Arbeitshaltung, unter Vermeidung von Heben und Tragen von Lasten über 15 kg sowie von Zwangshaltungen und Stauchungen der Wirbelsäule sechs Stunden und mehr täglich. In seinem letzten Beruf als Hausmeister mit schwerer körperlicher Tätigkeit könne der Kläger nicht weiter tätig sein. Nach Einholung eines Befundberichts des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. F. vom 1. Oktober 2003 lehnte die LVA den Rentenantrag mit Bescheid vom 20. November 2003 ab. Nach Vorlage einer Epikrise des Krankenhauses A. R. GmbH über die stationäre Behandlung des Klägers vom 28. Oktober bis zum 5. November 2003 mit Arthroskopie der rechten Schulter und subacromialer Dekompression am 29. Oktober 2003 wies die LVA mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2004 den Widerspruch als unbegründet zurück.
In dem sich anschließenden Klageverfahren S 3 RJ 125/04 ließ das Sozialgericht Halle nach Einholung von Befundberichten die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. das Gutachten vom 17. Oktober 2005 erstatten. Diese führte als Diagnosen eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei Impingementsyndrom der rechten Schulter, Thorakalsyndrom, Gonarthrose und Schulter-Arm-Syndrom an. Der Kläger sei in der Lage, nur noch körperlich leichte Arbeiten weniger als drei Stunden täglich zu verrichten. Das zeitliche Leistungsvermögen werde durch die depressive Symptomatik und die Wechselwirkungen zwischen depre...