Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. somatoforme Schmerzstörung. Pflegestufe und Erwerbsunfähigkeit. keine Schwerbehinderteneigenschaft bei uneingeschränkter Alltagskompetenz. Funktionseinschränkungen. Harndrang
Leitsatz (amtlich)
Anhaltende Bewegungseinschränkungen ohne organische Erklärung sind im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche zu bewerten. Sofern trotz Erwerbsunfähigkeit und Pflegestufe eine nahezu uneingeschränkte Alltagskompetenz mit einer aktiven Lebensgestaltung besteht, liegen die Voraussetzungen für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nicht vor.
Normenkette
SGB IX § 2 Abs. 1, § 69 Abs. 1, 3; BVG § 30 Abs. 1, 17; VersMedV § 2; SGB X § 48
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).
Bereits am 21. November 2000 beantragte der am ... 1966 geborene Kläger die Feststellung nach dem Schwerbehindertengesetz und begründete dies mit einem Bandscheibenvorfall sowie einer Knochenmarkverletzung nach einem Unfallereignis am 8. Juli 1999 auf einer Sommerrodelbahn. Nach dem Befundschein des Rehabilitationszentrums O. P. vom 6. Dezember 2000 (stationärer Aufenthalt vom 1. bis 25. November 2000) bestünden beim Kläger chronische Rückenschmerzen nach einer Wirbelsäulenkontusion und eine dissoziierte Sensibilitätsstörung ab dem 10. Brustwirbelkörper rechts (TH 10). Die schmerzfreie Gehstrecke betrage maximal 1 km. In einem Arztbrief vom 11. Januar 2001 hielt der Chefarzt der Klinik f. Neurologie Dr. C. (Klinikum E. v. B., P.) eine unfallbedingte Invalidität von 30 % wegen einer inkompletten Brustmarkschädigung mit einer ausgeprägten dissoziierten Sensibilitätsstörung unterhalb TH 10 rechts sowie einer Dranginkontinenz für gegeben. Die neurologische Untersuchung habe eine Rückenmarksläsion ergeben. Der Orthopäde MR Dr. M. vom O. P. stellte mit Gutachten vom 16. Januar 2001 chronische Lumbalgien fest und gab an, er habe keine Fraktur im Wirbelsäulenbereich und auch keine Veränderung in der Wirbelsäulenstatik nachweisen können. Nach dem Ergebnis einer MRT-Untersuchung bestehe eine Bandscheibenprotrusion L4/5 ohne wesentliche Kompressionseffekte. Aus orthopädischer Sicht sei der Schaden mit 10 % zu bewerten, was zusammenfassend zu einem Unfallschaden von 40 % führe. Der Facharzt für Anästhesiologie Dr. G. diagnostizierte unter dem 8. Februar 2001 eine chronische Schmerzkrankheit. Nach dem Befund der M.-L.-U., H.-W. vom 1. März 2011 liege beim Kläger eine Lumboischialgie rechts ohne neurologisches Defizit und ein thorakales Schmerzsyndrom vor. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Z. berichtete unter dem 4. März 2001 über ein zunehmend schlechteres Gangbild. Der Kläger nutze nunmehr Unterarmstützen. In Auswertung dieser Befunde schlug der Versorgungsarzt des Beklagten Dr. B. einen GdB von 40 wegen einer Funktionseinschränkung der Wirbelsäule mit Sensibilitätsstörung im rechten Bein, einem Dauerschmerzsyndrom und einer Drangharninkontinenz in Folge eines Unfalls vor. Dem folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 18. April 2001 einen GdB von 40 fest. Aufgrund des Widerspruchs des Klägers, den er mit einer wesentlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes und der Notwendigkeit der Benutzung eines Rollstuhls begründete, holte der Beklagte weitere Befundunterlagen ein. Dr. Z. berichtete unter dem 29. Mai 2001, dass er die Verordnung eines Rollstuhls zur Teilnahme am öffentlichen Leben für notwendig erachte. In einem Arztbrief vom 30. März 2001 berichtete Oberarzt Dr. L. (H.-U.-Kliniken., S.) über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 26. März bis 2. April 2001. Hiernach habe ein psychologisches Konzil vom 29. März 2001 keine psychopathologischen Auffälligkeiten ergeben. Beim Kläger bestehe angesichts der laufenden Gerichtsverfahren ein Bestätigungsanliegen. Wegen der Schmerzhaftigkeit liege ein sehr hoher Leidensdruck vor und es seien psychologische Gespräche zu empfehlen. Außerdem sei eine subtile neurologische Abklärung zu empfehlen. Nach der Epikrise des Krankenhauses R. (Abteilung für Neurologie und Schmerztherapie) vom 11. April 2001 leide der Kläger an einer chronifizierten Schmerzkrankheit, einer funktionellen Lähmung des rechten Beines und einer medialen Bandscheibenprotrusion ohne Zeichen der Wurzelkompression. Direkt mit dem Beschwerdebild korrespondierende bildgebende Befunde lägen nicht vor. Die Bewegungsstörung des Beines sei auf funktionelle Faktoren zurückzuführen, da weitergehende Untersuchungen eine gravierende Läsion im Bereich des ersten und zweiten motorischen Neurons hätten ausschließen können. Dafür spreche der seitengleiche Reflexstatus, das Fehlen von Pyramidenbahnzeichen sowie das normale EMG/NLG und MEP. Der Kläger habe derzeit eine ungünstige und zu hohe Schmerzmitteldosierung. Nach Beteiligung seines ärztlichen Dienstes, der auf eine zwischenzeitliche psychiatrische Überlagerung de...