Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. eigene Versicherungspflicht und Beitragspflicht. Abgrenzung: Unternehmer von unternehmerähnlicher Person. Vorstandsvorsitzender. Aktiengesellschaft im Bereich der Gesundheitswesen und der Wohlfahrtspflege. keine analoge Anwendung. keine planwidrige Regelungslücke
Leitsatz (amtlich)
1. Unternehmer einer Kapitalgesellschaft ist gemäß § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII diese selbst, nicht ein Organwalter, der wie ein Unternehmer tätig ist.
2. Ist ein Vorstandmitglied einer Kapitalgesellschaft ausnahmsweise in der gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert - hier ggf nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII - ist die Kapitalgesellschaft richtiger Adressat der zu treffenden Feststellungen bezüglich der Versicherung, vgl § 136 Abs 1 S 1 SGB VII.
3. Die Kapitalgesellschaft ist gemäß § 150 Abs 1 S 1 SGB VII für ihre ggf pflichtversicherten Vorstandmitglieder ebenso beitragspflichtig wie für alle anderen bei ihr tätigen Pflichtversicherten.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen seine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der Kläger ist Vorstandsvorsitzender der S... Aktiengesellschaft (AG). Diese beschäftigt sich ausweislich der Handelsregistereintragung vom 4. Juli 2005 insbesondere mit der Förderung der Altenpflege und des öffentlichen Gesundheitswesens. Dazu sollen Einrichtungen der Altenhilfe sowie der Erbringung ambulanter Pflegeleistungen betrieben werden.
Die Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 30. Dezember 2013 darüber, dass er vom 1. Januar 2008 an der Pflichtversicherung in der Gesetzlichen Unfallversicherung in Form einer Unternehmerversicherung unterliege. Dieses Schreiben enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung. Mit sieben Bescheiden vom 30. Dezember 2013 veranlagte die Beklagte den Kläger für “Ihre Unternehmerversicherung„ im Zeitraum bis 31. Dezember 2012 und ab 1. Januar 2013 nach dem entsprechenden Gefahrtarif und erhob Beiträge für die Kalenderjahre von 2008 bis 2012.
Gegen die Bescheide erhob der Kläger am 21. Januar 2014 Widerspruch und führte aus, er sei weder als Selbständiger noch unentgeltlich im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig. Er sei auch nicht Beschäftigter im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Er sei auf eine freiwillige Versicherung antragsberechtigt, stelle aber einen solchen Antrag nicht. Unternehmer sei er nicht, weil dies die Kapitalgesellschaft sei. Im Übrigen berufe er sich auf Verjährung.
Mit Bescheid vom 18. Februar 2014 hob die Beklagte den Beitragsbescheid für das Jahr 2008 wegen Verjährung auf.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2014 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Er führte aus, gem. § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII seien Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich, im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig seien, gesetzlich versichert. Dies beziehe sich sowohl auf Unternehmer als auch Unternehmern ähnlich tätige Personen. Letzteres komme neben einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei Vorstandsmitgliedern von Aktiengesellschaften in Betracht. Umgekehrt liege zwingend eine dieser beiden Eigenschaften vor. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Verweis auf Urt. v. 14.12.1999 - B 2 U 38/98 R) seien Vorstandsmitglieder einer AG typischerweise nicht abhängig beschäftigt. Dementsprechend könnten sich Unternehmern ähnlich tätige Personen wie Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft in den meisten Branchen gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII nur freiwillig unfallversichern. Die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII für eine selbständige Tätigkeit in einem Unternehmen des Gesundheitsdienstes oder der Wohlfahrtspflege gehe aber vor. Dazu gehörten auch unternehmerähnliche Tätigkeiten.
Der Kläger hat am 10. Juni 2014 Klage erhoben. Zur Begründung der Klage hat er ausgeführt, der Gesetzgeber habe in § 2 SGB VII eine Typisierung zwischen Beschäftigten, Selbständigen und Personen, die in Gesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig sind, vorgenommen. § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII sehe eine Pflichtversicherung nur für selbständig Tätige vor. Dazu gehörten bestimmte schutzbedürftige Personengruppen, gem. § 4 Abs. 3 SGB VII nicht aber bestimmte freiberuflich Tätige und auch nicht die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft. Anders als in § 2 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII seien diese auch nicht in § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII aufgenommen. Dort gehe es allein um Unternehmer im Sinne von § 136 Abs. 3 SGB VII. Schon bei der Einführung der freiwilligen Versicherung Unternehmern ähnlich Tätiger habe der Gesetzgeber in der Begründung darauf hingewiesen, diese gesetzliche Regelung sei erforderlich, da es sich weder um Unternehmer noch Besc...