Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Kosten im Zusammenhang mit einer Jugendweihefeier. Bestandteil der Regelleistung. kein Sonderbedarf. keine ergänzende Sozialhilfe. verfassungskonforme Auslegung. Erstausstattung für Bekleidung. Sozialgeld. Härtefallregelung. Atypische Bedarfslage. Kindergeld
Orientierungssatz
1. Das SGB 2 in der im Jahr 2009 geltenden Fassung enthält keine Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Zuschussleistungen für Kosten im Zusammenhang mit einer Jugendweihefeier.
2. Auch eine Bewilligung von Leistungen nach § 73 SGB 12 scheidet aus.
Normenkette
SGB II § 21 Abs. 6, § 23 Abs. 3 Nr. 2, § 28 Abs. 1, § 11 Abs. 1; SGB XII § 73; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 4, 20
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Leistungen zur Durchführung einer Jugendweihefeier am ... Mai 2010 in Höhe von 407 EUR nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Der am 1996 geborene Kläger bezog im Jahr 2009 gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder als Bedarfsgemeinschaft laufend Leistungen nach dem SGB II. Auf seinen Hilfebedarf rechnete der Beklagte das für ihn bewilligte Kindergeld an. Im August 2009 wurden dem Kläger weitere 100 EUR als zusätzliche Leistung für die Schule nach § 24a SGB II bewilligt (Bescheid vom 23 Dezember 2008, Bescheid vom 8. Juni 2009 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 24. September 2009).
Am 10. März 2009 beantragte der Kläger die Übernahme der erwarteten Kosten für eine am ... Mai 2010 durchgeführte Jugendweihefeier, die von den J. H. M. e.V. betreut wurde.
Beklagte lehnte die begehrte Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 30. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2009 ab. Der geltend gemachte Bedarf für die Kosten der Teilnahme an einer Jugendweihefeier und an Veranstaltungen der J. H. sei von der Regelleistung (Freizeit, Kultur) umfasst und würde nicht gesondert erbracht. Es bestehe auch kein Anspruch nach § 23 Abs. 1 SGB II auf Bewilligung einer Darlehens wegen eines von den Regelleistungen umfassten und nach den Umständen unabweisbaren Bedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts. Es sei kein Nachweis vorgelegt worden, dass die beantragte Leistung der Vermeidung einer akuten Notsituation diene. Bei der Bewilligung von Leistungen habe der Beklagte die gesetzlich geltenden Regelungen zur Höhe der Regelsätze zu beachten und keinen Ermessensspielraum.
Dagegen hat der Kläger am 4. Juni 2009 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben und die Erstattung der entstandenen Kosten, hilfsweise einen Abzug des Betrags vom als Einkommen anzurechnenden Kindergeld, weiter hilfsweise eine darlehensweise Bewilligung bei gleichzeitigem Erlass der Rückzahlungspflicht begehrt. Er hat zunächst allgemein die Verfassungswidrigkeit der Höhe der Regelsätze sowie die Anrechnung des Kindergeldes auf den Hilfebedarf gerügt. Ferner hat er ausgeführt, die Veranstaltungen im Rahmen der Jugendweihefeier dienten dazu, auf die eigentliche Bedeutung der Jugendweihe langfristig und umfangreich vorzubereiten. Sie seien eine erhebliche Bereicherung in der Entwicklung und Bildung der Kinder und Jugendlichen. Diese Kosten kämen nachweislich nicht im Regelsatz vor. Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat der Kläger die Kosten wie folgt beziffert: Jugendweiheanzug und -hemd 120 EUR (keine Belege), Anmeldegebühr 25 EUR, Teilnahmegebühren für mehrere Tagesveranstaltungen 107 EUR und 110 EUR, Feiergebühr 45 EUR. Alle Beträge waren im Jahr 2009 auf das Konto der J. H. M. e.V. überwiesen worden. In der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits hat die gesetzliche Vertreterin des Klägers klargestellt, dass eine darlehensweise Leistung nicht in Betracht komme.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 7. März 2012 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Erstattung der Kosten für die Durchführung der Jugendweihe. Diese seien aus den gewährten Regelleistungen aufzubringen. Darin seien auch Beträge für die Ausstattung mit festlicher Kleidung und für die Durchführung einer Jugendweihe enthalten. Insoweit sei der Kläger gehalten, die Beträge anzusparen oder innerhalb der Regelleistung umzuschichten. Hinsichtlich der Behauptung einer nicht ausreichenden Regelsatzhöhe hat das Sozialgericht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. Februar 2010 (BVL 1/09 W 3/09 und 4/09) verwiesen. Danach müsse eine gegebenenfalls zu niedrige Regelleistung nicht rückwirkend erhöht werden. Die vom BVerfG dort postulierte Härtefallregelung finde keine Anwendung, denn der streitgegenständliche Zeitraum liege vor dessen Urteil. Es handele sich aber auch nicht um einen laufenden Bedarf. Eine Anwendung von § 73 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) scheide aus, da von der Regelleistung erfasste Bedarfe regelmäßig nicht in dessen Anwendungsbereich fielen. Es bestünden aber auch Zweifel, ...