Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. GdB von 50. Diabetes mellitus. viermalige Insulininjektion. Beeinträchtigung der Teilhabe. gravierende Auswirkung. nur ein Lebensbereich. Beruf. Kernbereich
Leitsatz (amtlich)
Ein GdB von 50 aufgrund eines Diabetes mellitus erfordert nicht nur mindestens vier Insulininjektionen pro Tag und ein selbstständiges Anpassen der jeweiligen Insulindosis. Zusätzlich muss es zu einer krankheitsbedingten erheblichen Beeinträchtigung in der Lebensführung kommen. Sofern sich gravierende Auswirkungen nur in einem Bereich - wie der beruflichen Tätigkeit - feststellen lassen, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob dadurch schon auf eine gravierende Beeinträchtigung insgesamt geschlossen werden kann.
Orientierungssatz
Gravierende Einschränkungen im Bereich der beruflichen Tätigkeit liegen vor, wenn die krankheitsbedingten Einschränkungen bereits den beruflichen Kernbereich und nicht nur punktuelle Einschränkungen bei besonderen beruflichen Belastungen betreffen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.
Der 1968 geborene Kläger beantragte am 4. Oktober 2001 beim Beklagten die Feststellung von Behinderungen wegen eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I. Der Beklagte holte einen Befundschein der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. K. vom 13. Oktober 2001 ein, wonach ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ I beim Kläger vorliege. Nach Beteiligung seines ärztlichen Dienstes stellte der Beklagte mit Bescheid vom 23. November 2001 beim Kläger einen GdB von 40 aufgrund einer Zuckerkrankheit fest.
Dagegen erhob der Kläger am 4. Dezember 2001 Widerspruch und trug vor: Er müsse bis zu siebenmal täglich Insulin spritzen, da er diese Anzahl an Mahlzeiten zu sich nehme. Dadurch sei er in seiner Lebensgestaltung deutlich behindert, da jeder dieser Spritzvorgänge mit einer Blutzuckermessung verbunden sei. Er könne diese Messungen und das Spritzen wegen Rücksichtnahme auf andere Personen nicht im öffentlichen Raum bzw. seinem Arbeitszimmer ausführen, sondern sei gezwungen, stets eine Toilette oder einen separaten Raum aufzusuchen. Die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sei nur noch eingeschränkt möglich. So habe er beispielsweise ein Konzertgastspiel wegen einer Unterzuckerung mit ausgeprägten Symptomen nicht entsprechend verfolgen können. Ebenso behindere der Krankheitsablauf seine berufliche Tätigkeit, weil er einige Tätigkeiten nicht mehr in gleicher und für den Arbeitgeber befriedigender Weise ausüben könne. So sei es nicht mehr so gut möglich, seinen Vorgesetzten bei dessen auswärtigen Terminen über einen längeren Zeitraum zu begleiten, da er dann Probleme mit einer geregelten Essenseinnahme und damit der Insulingabe habe. Zudem lägen erhebliche Schwankungsbereiche der Blutzuckerwerte mit Über- und Unterzuckerungen vor. Der HbA1c-Wert habe bei der letzten Analyse über 8 % gelegen. Dies spreche nicht für eine gute Einstellung des Diabetes mellitus.
Der Beklagte holte daraufhin einen Befundschein der Oberärztin Dr. K. der O.Universität-M., Zentrum für Innere Medizin, Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselkrankheiten, vom 30. Januar 2002 ein. Danach sei im August 2001 die Erstmanifestation des Diabetes mellitus eingetreten. Der Kläger könne unter Alltagsbedingen gut mit der Erkrankung umgehen. Er messe fünf- bis sechsmal täglich den Blutzucker und passe die Dosis des Kurzeit-Insulins dementsprechend an. Bei der letzten Vorstellung am 6. Dezember 2001 seien folgende Insulindosen benötigt worden: Basalinsulin morgens und zur Nacht sowie Kurzzeitinsulin morgens, mittags und abends. Die Blutzuckerwerte lägen überwiegend zwischen 4 und 8 mmol/l. Der letzte HbA1c-Wert vom 8. November 2001 habe bei 8,04 % gelegen (Ziel 7 %). Möglicherweise liege die Ursache dafür in den häufig noch zu hohen morgendlichen Nüchternwerten, weshalb eine Umstellung auf Lantus-Insulin zur Nacht vorgesehen sei. Folge-komplikationen lägen nicht vor. Hypoglykämien träten nur in leichter Form auf und würden mit Traubenzucker behandelt.
Mit Schreiben vom 14. Juli 2002 trug der Kläger ergänzend vor, es seien weitere Unterzuckerungen, teilweise sogar mit Blutzuckerwerten von unter 2,0 mmol/l, aufgetreten. Dadurch sei nicht nur das persönliche Wohlbefinden erheblich gestört, er könne dann auch die beruflichen Anforderungen nicht erfüllen. Die Einschränkungen bei der Teilnahme am normalen gesellschaftlichen Leben (Besuch von Veranstaltungen, längere Ausflüge, Treffen mit Freunden) seien wegen der verstärkt und unvorhersehbar auftretenden Unterzuckerungen noch größer geworden. Außerdem seien Überzuckerungen aufgetreten.
Daraufhin holte der Beklagte nochmals einen Befundbericht von Dr. K. vom 26. August 2002 ein, wonach weiterhin eine sehr gute Stoffwechseleinstellu...