Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. ehrenamtlicher Bürgermeister im Land Sachsen-Anhalt. Weisungsgebundenheit. Aufwandsentschädigung
Leitsatz (amtlich)
Die allein dem Landesrecht zuzuordnenden Regelungen der Aufgaben eines ehrenamtlichen Bürgermeisters im Land Sachsen-Anhalt unterstellen diesen Amtsträger einem Weisungsrecht iSv § 7 Abs 1 SGB IV. Insoweit ist es nicht von maßgebender Bedeutung, dass nach Bundes- und Landesrecht ein bestimmter Anteil der dem Amtsträger für diese Tätigkeit gewährten Zahlungen steuer- und damit beitragsfrei ist.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin zu neun Zehntel und die Beklagte zu einem Zehntel. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Beiträgen für die Tätigkeit des M. T. (Beigeladener zu 3)) als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde T. vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2009.
Die Klägerin ist eine Stadt in der zum 1. Januar 2010 gebildeten Verbandsgemeinde "G. A." und wird durch deren zuständigen Bürgermeister vertreten. Die Gemeinde T. war vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2009 Mitgliedsgemeinde der Verwaltungsgemeinschaft "G. A." und ist seit dem 1. Juli 2009 ein Ortsteil der Klägerin. Im Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis zum 30. Juni 2009 war der (verstorbene) Beigeladene zu 3) ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde T., wobei das Amtsverhältnis nach Ablauf der siebenjährigen Amtszeit zum 1. Juli 2008 erneut begründet wurde. Er erhielt ab dem 1. Juli 2008 eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 716,00 EUR. Daneben bezog er ab Juni 2007 eine Vollrente wegen Alters.
Die Beklagte führte bei der Klägerin vom 14. bis zum 21. Juli 2009 eine Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2009 durch. Im Rahmen der Schlussbesprechung am 21. September 2009 wurden mit der Klägerin die Prüfungsfeststellungen, die beanstandeten Sachverhalte und die beabsichtigten Beitragsnachforderungen besprochen. Der Inhalt der Besprechung ergibt sich aus dem Protokoll vom 21. September 2009. Im Protokoll wurde vermerkt, dass mit der Schlussbesprechung die Anhörung nach § 24 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) als durchgeführt gelte.
Mit Bescheid vom 5. Oktober 2009 forderte die Beklagte von der Klägerin die Beiträge für den Beigeladenen zu 3) zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung bzw. den Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie zu der Umlage U2 nach dem Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (AAG) für den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2009 in Höhe von insgesamt 1.437,80 EUR einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 108,00 EUR. Die Beklagte begründete ihren Bescheid damit, dass ehrenamtliche Bürgermeister in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stünden und damit der Versicherungspflicht unterlägen, sofern sie eine dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugängliche Verwaltungstätigkeit ausübten und nicht nur Repräsentationsaufgaben wahrnähmen. Darüber hinaus sei Voraussetzung, dass eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung gezahlt werde. Bei einem ehrenamtlichen Bürgermeister sei ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis anzunehmen, wenn dieser in seinem Amt verpflichtet sei, über Repräsentationsaufgaben hinaus weisungsgebundene Verwaltungsaufgaben auszuüben, und dieser Aufgabenbereich auch das Bild der Tätigkeiten präge. Dies sei gegeben, wenn der ehrenamtliche Bürgermeister Leiter der Verwaltung sei. Die Beklagte verwies hierzu auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. Januar 2006 (Az.: B 12 KR 12/05 R). Aus dieser Entscheidung gehe hervor, dass der Bereich der weisungsgebundenen Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben die Tätigkeit eines ehrenamtlichen Bürgermeisters präge, sofern er nach der Ausgestaltung des Ehrenamtes in der maßgebenden Kommunalverfassung dazu verpflichtet sei. In Sachsen-Anhalt seien auch die ehrenamtlichen Bürgermeister Dienstvorgesetzte des Leiters des gemeinsamen Verwaltungsamtes und höhere Dienstvorgesetzte sowie oberste Dienstbehörden aller Bediensteten des gemeinsamen Verwaltungsamtes. Darüber hinaus müssten ehrenamtliche Bürgermeister in Sachsen-Anhalt auch die sich aus den §§ 62 und 63 Gemeindeordnung Land Sachsen-Anhalt (in der Fassung vom 5. Oktober 1993, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 14. Februar 2008 (GO LSA)) ergebenden Verwaltungsaufgaben erfüllen. Der Beigeladene zu 3) sei als ehrenamtlicher Bürgermeister an die GO LSA gebunden gewesen. Damit sei er abhängig beschäftigt gewesen und habe der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Rentenversicherung und sozialen Pflegeversicherung unterlegen. Aus Vertrauensschutzgründen verbleibe es bis zum Ende der Amtszeit, welche am 30. Juni 2008 geendet habe, bei der bisherigen Beurteilung de...