Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung eines Wegeunfalls als Arbeitsunfall nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO)
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung und Entschädigung des Unfalls der Klägerin vom 12.06.1994 als Arbeitsunfall (Wegeunfall).
Die am ... geborene Klägerin ist als Krankenschwester im Alten- und Pflegeheim ... beschäftigt. Der übliche Weg von ihrer Wohnung in der ... R., zum Ort ihrer Tätigkeit in der ... R., führt an dem Grundstück ... vorbei. Auf diesem befindet sich ein weiteres Gebäude des Alten- und Pflegeheimes ... in dem ein Wahllokal für die Landtags- und Europawahl am 12.06.1994 eingerichtet war.
Am Wahltag gegen 13:15 Uhr verließ die Klägerin ihre Wohnung, um zu ihrer Arbeitsstelle zu gelangen. In Höhe der ... verließ sie ihren üblichen Weg und ging zur Stimmabgabe in das etwa 200 Meter vom üblichen Weg entfernte Wahllokal. Bevor sie nach Verlassen des Wahllokals den üblichen Weg fortsetzen konnte, rutschte sie im Gebäude ... auf den Fußbodenplatten aus und verletzte sich dabei das linke Knie.
Mit Bescheid vom 23.05.1995 lehnte die Beklagte ab, diesen Unfall als Arbeits- bzw. Wegeunfall anzuerkennen und zu entschädigen, da die Klägerin sich aus eigenwirtschaftlichen Gründen (Wahl) nicht mehr im öffentlichen Verkehrsraum ihres direkten Arbeitsweges befunden habe, als sie den Unfall erlitt. Der Widerspruch und die Klage hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 16.04.1996 und Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 27.11.1996).
Die Klägerin hat gegen das am 11.12.1996 zugestellte Urteil am 13.01.1997 (Montag) Berufung eingelegt und macht im wesentlichen geltend: Bei ihrem Unfall handele es sich um einen Arbeitsunfall, da er sich in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Weg zur Arbeitsstätte ereignet habe. Die Stimmabgabe beseitige nicht den Versicherungsschutz, da sie in zeitlicher und örtlicher Hinsicht von so geringem Umfang gewesen sei, daß sie angesichts des Gesamtweges nicht wesentlich ins Gewicht falle. Zudem sei nicht erforderlich, daß der Weg zum Ort der Tätigkeit von der Wohnung aus angetreten werde. Kein versicherter direkter Weg liege erst dann vor, wenn der nicht zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurückgelegte Weg sich unter Berücksichtigung aller Umstände von dem üblichen Weg so erheblich unterscheidet, daß er nicht von dem Vorhaben geprägt ist, sich zur Arbeit zu begeben. Sie habe jedoch von der erforderlichen Europawahl zum Ort ihrer Tätigkeit gelangen wollen, so daß ein innerer Zusammenhang zwischen dem Zurücklegen des Weges vom Wahllokal und der Tätigkeit bestehe. Die private Verrichtung der Wahl sei im Unfallzeitpunkt bereits abgeschlossen gewesen. Schließlich bestehe zwischen der Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten, der Wahl, und eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten, die ausschließlich ihrem eigenen Risikobereich zuzurechnen wären, ein wesentlicher Unterschied, der nicht zu ihren Lasten gewertet werden könne. Auch gehöre ein Wahllokal nicht zum privaten, sondern zum öffentlichen Verkehrsraum.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 27.11.1996 und den Bescheid vom 23.05.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall vom 12.06.1994 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die ergangenen Entscheidungen für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die bei der Beratung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die zulässige, insbesondere fristgemäß erhobene Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist nicht beschwert im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. da der Bescheid vom 23.05.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.1996 nicht rechtswidrig ist. Die Beklagte hat die Anerkennung und Entschädigung eines Arbeitsunfalls zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat am 12.06.1994 keinen Arbeitsunfall erlitten.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der von ihr geltend gemachte Arbeitsunfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist (Artikel 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet (§ 548 Abs. 1 Satz 1 RVO). Als Arbeitsunfall gilt auch ein Unfall auf einem mit versicherter Tätigkeit zusammenhängenden Weg von und...