Revision eingelegt

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwer des Beigeladenen (Sozialleistungsträger). keine Fiktion der Erfüllung einer bundesrechtlichen durch eine landesrechtliche Sozialleistung. Erstattungsanspruch zwischen Sozialleistungsträgern. planwidrige Gesetzeslücke. allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Beschwer des beigeladenen Sozialleistungsträgers als Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels reicht es aus, dass die Vorinstanz den beklagten Sozialleistungsträger zur Nachzahlung verurteilt hat, weil der Leistungsanspruch des Klägers in Höhe des Nachzahlungsbetrages nicht nach § 107 Abs. 1 SGB X wegen Bestehens eines Erstattungsanspruchs des Beigeladenen gegen den Beklagten erloschen sei.

2. Eine nach Landesrecht erbrachte Sozialleistung (hier Landesblindengeld) kann keinen Erstattungsanspruch im Sinne von § 107 Abs. 1 SGB X begründen, da diese Vorschrift nur für diejenigen Sozialleistungsbereiche gelten kann, für die der Bund nach den Art. 70 ff. GG die Gesetzgebungskompetenz hat.

3. Da nach den Art. 70 ff. GG dem Landesgesetzgeber eine Regelung von Gegenständen der Bundesgesetzgebung verwehrt ist, kann die Anordnung der entsprechenden Anwendung des SGB X in § 6 Abs. 2 LBliGG Sachsen-Anhalt nicht die Rechtsfolge herbeiführen, dass ein durch Bundesrecht begründeter Sozialleistungsanspruch (hier nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz) in entsprechender Anwendung des § 107 Abs. 1 SGB X erlischt.

4. Es gibt keinen – für das Sozialleistungsrecht des Bundes und der Länder als unmittelbar anwendbares Recht geltenden – allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass zur Vermeidung von Doppelleistungen eine von einem Sozialleistungsträger erbrachte Leistung, auf die nach dem für sie geltenden Recht eine von einem anderen Sozialleistungsträger zu erbringende Leistung anzurechnen ist, als Erfüllung der zu erbringenden Leistung gilt. Für Fälle der vorliegenden Art fehlt es auch an einer planwidrigen Lücke im Gesetz, zu deren Schließung durch eine Analogie zu § 107 und den §§ 102 ff. SGB X die Rechtsprechung berufen wäre.

 

Normenkette

SGG § 75 Abs. 4 S. 1, § 54 Abs. 1, 4; SGB X § 107 Abs. 1; LBliGG Sachsen-Anhalt § 6 Abs. 2; GG Art. 70 ff.

 

Verfahrensgang

SG Dessau (Aktenzeichen S 5 VG 1/97)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.11.2004; Aktenzeichen B 9 VG 2/04 R)

 

Tenor

Die Berufungen des Beigeladenen und des Beklagten werden zurückgewiesen.

Der Beklagte und der Beigeladene haben dem Kläger je die Hälfte der notwendigen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Berufungsverfahren ist noch streitig, ob der Beklagte dem Kläger auf Grund eines Anspruchs auf Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) einen Betrag von 8.313,61 € (16.260,00 DM) nachzuzahlen hat. Nach Auffassung des Beklagten und des Beigeladenen gilt der Anspruch insoweit als erfüllt, weil der Beigeladene wegen der Zahlung von Landesblindengeld an den Kläger gegen den Beklagten einen Erstattungsanspruch habe.

Der 1959 geborene Kläger wurde im Jahre 1981 in Dresden infolge eines tätlichen Angriffs an den Augen geschädigt. Das beigeladene Land Sachsen-Anhalt gewährte ihm seit Januar 1992 Blindengeld nach dem Gesetz über das Blindengeld im Land Sachsen-Anhalt vom 19. 6. 1992 (LBliGG). Der monatliche Betrag wurde ab Juli 1993 auf 766 DM, ab Juli 1994 auf 804 DM und ab Juli 1995 auf 840 DM erhöht.

Auf Antrag des Klägers vom Juni 1993 gewährte ihm der beklagte Freistaat Sachsen mit Bescheid vom 15. August 1996 Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Für die Zeit ab 1. Januar 1991 bewilligte ihm der Beklagten wegen einer Blindheit rechts und einer hochgradigen Sehschwäche links eine Grundrente sowie ab Januar 1993 eine Ausgleichsrente. Mit Wirkung vom 1. Mai 1994 erkannte der Beklagte als Schädigungsfolge Blindheit an und bewilligte dem Kläger zusätzlich zu der Grundrente und Ausgleichsrente eine Pflegezulage nach der Stufe III, eine Kleiderverschleißpauschale, eine Schwerstbeschädigtenzulage Stufe I und eine Führzulage. In der Anlage 2 zu dem Bescheid errechnete der Beklagte für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 31. August 1996 eine Nachzahlung von insgesamt 85.564 DM, die er für etwaige Erstattungsansprüche anderer Stellen vorläufig einbehielt. Vom 1. September 1996 an zahlte er die monatlichen Versorgungsbezüge laufend.

Die Berechnung der Nachzahlung für die ersten vier Monate des Jahres 1994 enthielt einen Rechenfehler, den der Beklagte mit Berichtigungsverfügung vom 14. Oktober 1996 mit dem Ergebnis berichtigte, dass sich der Gesamtbetrag der Nachzahlung auf 83.832 DM verringerte.

Der Beigeladene, der schon im Juli 1996 beim Beklagten einen Erstattungsanspruch angemeldet hatte, bezifferte diesen mit Formularschreiben vom 27. September des Jahres auf 24.620 DM, die Summe der dem Kläger für die Ze...

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