Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Fahrtkosten. ambulante Behandlungen wegen Folgen einer Nierentransplantation
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Nachuntersuchungen in Transplantationskrankenhäusern handelt es sich um ambulante Untersuchungen. Fahrtkosten für die An- und Abfahrt können insoweit gem § 60 Abs 2 S 1 Nr 4 SGB V von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übernommen werden.
2. Die Übernahme der Fahrtkosten kommt auch dann gem § 60 Abs 2 S 1 Nr 4 SGB V nicht in Betracht, wenn die vollständige Nachuntersuchung von vornherein auf einen Tag angelegt ist und auch so durchgeführt wird.
3. Eine hohe Behandlungsfrequenz iS von § 8 Abs 2 der Krankentransport-Richtlinien - KT-RL (juris: KrTRL 2004) ist auch bei unbefristeter Dauer jedenfalls dann nicht gegeben, wenn die Zahl der durchschnittlich 18 jährlichen Arztkontakte eines gesetzlich Versicherten unterschritten wird (vgl LSG Halle vom 23.1.2013 - L 4 KR 17/10 = RdNr 49).
4. Unter ein Therapieschema, das durch eine Grunderkrankung iS von § 8 Abs 2 der KrTRL 2004 vorgegeben ist, fällt nicht die Behandlung anderer Krankheiten, die wegen der Grunderkrankung verändert erfolgen muss. Auch Vorsorgeuntersuchungen wegen höherer Gefährdung gegenüber anderen Erkrankungen durch die Grunderkrankung fallen nicht darunter.
5. Die Tatbestände des § 8 Abs 3 der KrTRL 2004, die dort durch Verweisung auf andere Normenwerke einbezogen werden, sind nicht in jedem Fall gesondert zu prüfen. Ist jemand Versicherter in der Pflegepflichtversicherung bzw. liegen keine Hindernisse vor, Feststellungen nach dem Schwerbehindertenrecht zu erwirken, kann er sowohl wegen der Voraussetzungen der Pflegestufe als auch wegen der Erfüllung der Voraussetzungen für bestimmte Merkzeichen auf die (ggf noch zu treffenden) Feststellungen der insoweit zuständigen Stellen verwiesen werden.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. März 2013 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Übernahme bzw. Erstattung von Fahrtkosten für die Fahrt zu ambulanten Behandlungen, insbesondere Kontrolluntersuchungen wegen der Folgen einer Nierentransplantation, hat.
Der 1945 geborene Kläger wurde 1999 mit einer Nierentransplantation versorgt. Er war Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit der Bescheinigung eines Grades der Behinderung von 100 und dem Merkzeichen RF. Mit einem Schreiben vom 30. März 2004 wandte er sich an die Beklagte und teilte mit, er unterziehe sich 4-mal pro Jahr einer ambulanten Behandlung in der Universitätsklinik H. Er beantrage die (weitere) Übernahme der Fahrtkosten. Beigefügt war ein Attest des Allgemeinmediziners Dr. R. vom Vortag, wonach die Fahrten nach H. aus medizinischen Gründen notwendig seien.
Mit Schreiben vom 14. April 2004 wandten sich die Ärzte des Transplantationszentrums der Universitätsklinik und Poliklinik für Urologie in H. an die Beklagte und führten aus, bei dem Kläger müsse eine Immunsuppression zur Verhinderung einer Abstoßung der Transplantatniere durchgeführt werden. Daraus ergebe sich eine deutlich erhöhte Infektionsanfälligkeit. Die Abstoßungsgefahr bestehe auf unbestimmte Zeit fort. Zur Früherkennung von Veränderungen im Transplantat sei die Einrichtung mit besonderen diagnostischen Mitteln ausgestattet. Einige der Untersuchungen seien ausschließlich im dortigen Forschungslabor durchführbar. Das Ergebnis der Untersuchungen werde in enger Zusammenarbeit und Beratung eines Teams von transplantationserfahrenen Klinikern, Laborärzten und Naturwissenschaftlern gewonnen. Deren Erfahrung sei für das Langzeit-Management unerlässlich, während die mitbetreuenden niedergelassenen Ärzte eine wichtige Kontrollfunktion am Wohnort des Patienten ausübten. Durch das Zusammenwirken von Nephrologen und Urologen am Transplantationszentrum würden zudem doppelte Fahrten und Arztvorstellungen vermieden. Da viele Patienten die Fahrtkosten nicht aufbringen könnten, bestünde die Gefahr, dass die optimale Therapiesteuerung durch ein spezialisiertes Zentrum nicht aufrecht erhalten werden könne. Mittelfristig sei dann eine Verkürzung der Funktionsdauer der transplantierten Niere möglich. Die Kriterien für eine Kostenübernahme sollten denjenigen bei Dialysepatienten entsprechen.
In einem Bericht vom 23. Juni 2004 teilte der Nephrologe Dr. R. von der genannten Einrichtung mit, der Kläger stelle sich alle vier Monate in der Einrichtung vor. Der Kläger unterziehe sich einem Therapieschema in Form der Steuerung der immunsuppressiven Behandlung mit Nachkontrollen zur Früherkennung von pathologischen Veränderungen im Nierentransplantat. Der Kläger sei deutlich infektionsgefährdet.
Mit Stellungnahme vom 14. Juli 2004 vertrat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Auffassung, ein Ausnahmefall für Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung liege hier nich...