Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Bemessungsentgelt. Arbeitsentgeltanspruch. Zuflussfiktion bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Fälligkeitszeitpunkt. Kausalität

 

Orientierungssatz

Die Zuflussfiktion des § 134 Abs 1 S 2 SGB 3 aF gilt grundsätzlich dann nicht, wenn das Arbeitsentgelt, welches nicht zugeflossen ist, bereits vor der Insolvenz fällig war und die Zahlung im Fälligkeitszeitpunkt nicht wegen Zahlungsunfähigkeit, sondern aus anderen Gründen verweigert worden ist. Zwischen der Nichtzahlung des zustehenden Arbeitsentgelts und der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers muss Kausalität bestanden haben.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 24. Oktober 2001 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes.

Der am 9. September 1941 geborene Kläger war vom 16. Juli 1973 bis zum 30. Juni 1999 Arbeitnehmer der Firma D Geräteindustrie GmbH. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis am 31. März 1999 zum 30. Juni 1999. Der Kläger bezog nach der Arbeitsbescheinigung vom 16. April 1999 in der Zeit von April bis Dezember 1998 monatlich gleichbleibend 4.717,84 DM brutto. Für die Monate Januar bis März 1999 erhielt er in Höhe von monatlich 5.362,21 DM Insolvenzgeld. Das Beschäftigungsverhältnis endete wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin am 30. März 1999. In einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 2. März 2000 einigte sich der Kläger mit dem Insolvenzverwalter u.a. auf die Zahlung einer Abfindung von 5.000 DM.

Aus dem Arbeitsvertrag vom 30. Januar 1992 geht hervor, dass der Kläger zunächst als Meister "Körperfertigung" mit einer 40-Stunden-Woche unter Geltung des Tarifvertrages der IG Metall für Sachsen-Anhalt unbefristet beschäftigt war. Aus betrieblichen Gründen wurde er dann als Kraftfahrer eingesetzt. Nach einer Änderungskündigung kam es am 12. März 1997 zu einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht Dessau. Darin einigte sich der Kläger mit der Arbeitgeberin auf folgende Entgeltregelung:

"Tarifentgelt gem. Tarifgruppe LG 7 - Zeitlohn -; zuzüglich einer persönlichen Zulage: Gesamtlohn 95 % des bisherigen Einkommens (Gehaltsgruppe 5). Die übertarifliche, persönliche Zulage wird auf künftige Tariferhöhungen in vollem Umfang angerechnet."

Auf Grund der schlechten finanziellen Lage der D Geräteindustrie GmbH wurde am 17. März 1997 in einer Härtefallregelung zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt und der IG Metall festgelegt, dass jeder Arbeitnehmer nur 88,5 % des zustehenden Lohnes erhält. Ab dem 1. April 1998 sollte der Lohn auf 92,5 %, ab dem 1. September 1998 auf 94 % und ab dem 1. November 1998 auf 100 % des Lohnes steigen. Nach einer Zusatzregelung zum Tarifvertrag vom 18. Juni 1997, abgeschlossen am 22. Juni 1998, sollten die Löhne und Gehälter ab 1. Dezember 1998 92,5 % der tariflichen Löhne und Gehälter betragen. Die Differenzbeträge zu den tariflichen Löhnen und Gehältern sollten vorläufig ausgesetzt und gestundet werden. Die Härtefallregelung sollte wirksam sein unter der Voraussetzung, dass für die Arbeitgeberin eine ungekündigte und unbefristete Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband besteht. Sie sollte am 1. April 1998 in Kraft treten und am 31. Dezember 1998 ohne Nachwirkung enden. Die Arbeitgeberin war bereits zum 31. Dezember 1997 aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten.

Der Kläger erhob am 21. Januar 1999 Klage beim Arbeitsgericht Dessau gegen die Firma D Geräteindustrie GmbH und machte einen Betrag von 1.070,00 DM für die Monate April bis August 1998 geltend. Die Klageschrift ging davon aus, dass der Kläger als Zeitlöhner in der Lohngruppe 7 des Tarifvertrages der Metall- und der Elektroindustrie Sachsen-Anhalt eingruppiert sei. Die Arbeitgeberin habe einem Zeitlöhner in der Lohngruppe 7 einen Leistungszuschlag von 13 % gezahlt. Zugestanden habe ihm ein Bruttomonatsentgelt von 3.200 DM, errechnet aus der Lohngruppe 7. Für die Monate September und Oktober verlangte der Kläger die Differenz zu einem Betrag von 5.331 DM (95 % der Gehaltsgruppe 5). Der Rechtsstreit endete wegen der Insolvenz der Arbeitgeberin ohne gerichtliche Entscheidung.

Der Kläger meldete sich am 30. März 1999 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld. Er gab an, er beanspruche gegenüber seiner bisherigen Arbeitgeberin noch Lohn und habe Insolvenzgeld beantragt. Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 26. April 1999 Arbeitslosengeld in der Leistungsgruppe A/0 bei einem Bemessungsentgelt vom 1.120,00 DM in wöchentlicher Höhe von 378,91 DM. Die Bewilligung wurde bestandskräftig.

Am 1. März 2000 beantragte der Kläger die Überprüfung seines Arbeitslosengeldes. Er gab an, die Arbeitgeberin habe ihm nur 88,5 % des ihm zustehenden Lohnes gezahlt.

Der Insolvenzverwalter Herr J V habe die Forderungen anerkannt. Deshalb sei sein Arbeitslosengeld auf der Grundlage d...

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