Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenzahnärztliche Vereinigung. Bildung von Regelleistungsvolumen. keine Differenzierung zwischen verschiedenen Ausübungsformen der zahnärztlichen Tätigkeit
Orientierungssatz
Bei der Bildung von Regelleistungsvolumen im Rahmen der Honorarverteilung hat eine Kassenzahnärztliche Vereinigung keine Differenzierung zwischen verschiedenen Ausübungsformen der zahnärztlichen Tätigkeit vorzunehmen. Insbesondere muss sie keine gesonderte Kürzungsvorschrift für Kieferorthopäden vorsehen. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wird dadurch nicht verletzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, das Honorar des Klägers für alle vier Quartale 1999 oberhalb einer Grenze von 62.500,00 DM pro Quartal zu kürzen.
Der Kläger ist als Kieferorthopäde in Halle niedergelassen. Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss am 6. Februar 1999 Änderungen des Honorarverteilungsmaßstabes mit Wirkung vom 1. Januar 1999. Der Beschluss wurde den Krankenkassenverbänden zur Kenntnis übersandt, diese haben ihn nicht beanstandet. Die Änderungen des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) wurden im Februarheft 1999 der "Zahnärztlichen Nachrichten" bekannt gemacht. Außerdem versandte die Beklagte allen niedergelassenen Zahnärzten und Kieferorthopäden einen Rundbrief vom 8. März 1999, aus dem die Änderung hervorging.
Die Beklagte legte den HVM den Honorarbescheiden für die Quartale I bis IV 1999 zu Grunde. Der Kläger erhob gegen alle Honorarbescheide für das Jahr 1999 Widerspruch. Die Beklagte wies die Widersprüche mit Beschluss vom 1. März 2000 (I. Quartal 1999) und Beschluss vom 8. September 2000 (II. bis IV. Quartal 1999) zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 3. April 2000 und am 27. September 2000 Klage, die das Sozialgericht mit Beschluss vom 6. November 2000 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Das Verfahren ist zusammen mit dem Rechtsstreit L 4 KA 6/02 ein Musterprozess für weitere Verfahren von Kieferorthopäden in Sachsen-Anhalt.
Der Kläger hat vor dem Sozialgericht die Ansicht vertreten, dass der HVM nicht rückwirkend zum 1. Januar 1999 habe in Kraft treten dürfen. Die Regelung des HVM sei rechtswidrig, da sie gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstoße. So sei ihm die Möglichkeit genommen, durch Erhöhung der Zahl der behandelten Patienten und damit der erbrachten Leistungen zumindest den Honorardurchschnitt der eigenen Fachgruppe pro Quartal zu erreichen. Vor Erreichung des Fachgruppendurchschnitts von Kieferorthopäden hätte deshalb bei unterdurchschnittlichen Praxen keine Kürzung schon ab 62.500,00 DM vorgenommen werden dürfen. Es handele sich bei dem Betrag von 62.500,00 DM nicht um den für ihn maßgeblichen Fachgruppendurchschnitt. Zum einen handele es sich es sich um die Durchschnittswerte für das Jahr 1997, nicht aber für das Jahr 1999, zum anderen hätte die Beklagte für die Kieferorthopäden eine eigene Fachgruppe bilden müssen. Denn die zahnärztlichen Tätigkeiten von Kieferorthopäden und Allgemeinzahnärzten seien derart unterschiedlich, dass eine Differenzierung bei der Bildung der Honorarkontingente geboten sei. Das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verlange die Bildung sektoraler Budgets für Kieferorthopäden. So lasse sich die den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen eingeräumte Verteilungsautonomie im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechtes der Berufsfreiheit nur bei einer strikten Beachtung des Gleichheitssatzes rechtfertigen. Die Unterschiede bei der Ausbildung und ihrem Tätigkeitsfeld zwängen zu einer Differenzierung bei den Verteilungsmodalitäten für Kieferorthopäden und Allgemeinzahnärzte. Kieferorthopäden seien in Sachsen-Anhalt nach einer vierjährigen Weiterbildung als Fachzahnärzte für Kieferorthopädie zugelassen, nicht als Allgemeinzahnärzte. Sie beschränkten sich auch auf die kieferorthopädischen Leistungen und Begleitleistungen. Kieferorthopäden seien ausschließlich auf Überweisung tätig und erbrächten langfristige Behandlungen auf der Grundlage von genehmigten Behandlungsplänen. Allgemeinzahnärzte könnten ihr Leistungsspektrum und ihren Leistungsumfang im wesentlichen selbst bestimmen. Es bestünden auch Unterschiede in den Kostenstrukturen der Praxen von Allgemeinzahnärzten und Kieferorthopäden. Sowohl die Anzahl der Beschäftigten als auch die Personalkosten lägen bei Kieferorthopäden signifikant höher.
Da Kieferorthopäden in der Regel höhere Honorarumsätze als Allgemeinzahnärzte hätten, führe dies zwangsläufig dazu, dass Kieferorthopäden mit einem wesentlichen Teil ihres Honorars in die Abstaffelungsregelung gerieten, während der Durchschnittszahnarzt hiervon nicht betroffen sei. Eine solche grundsätzliche und schematische Benachteiligung von umsatzstarken Praxen zugunsten umsatzschwacher Praxen sei rechtswidrig. Die Kieferorthopäden subventionierten ihre allgemeinzahnärztlichen Kollegen, welche in der Vertreterversammlung die überwältigende Mehrheit hätten. Es handele sic...