Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfeanspruch. Verlängerung der Vor- und Erlöschensfrist. Übergangsgeldbezug. Überschreitung der 3-Jahres-Frist durch Anschlussübergangsgeldbezug. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Orientierungssatz

Die Begrenzung der Verlängerung der Vorfrist und der Erlöschensfrist auf bis zu 3 Jahre nach §§ 192 S 2, 196 S 2 SGB 3 entfällt auch unter Heranziehung des § 417 S 2 SGB 3 idF vom 21.7.1999 nicht, wenn der Arbeitslose nach Abschluss der (durch einen Wechsel des Umschulungsziels) fast 3 Jahre dauernden berufsfördernden Maßnahme auf Hinweis der Bundesagentur für Arbeit Anschlussübergangsgeld beantragt und durch dessen Bezug die 3-Jahres-Frist überschritten hat.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 03.05.2005; Aktenzeichen B 7a/7 AL 40/04 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte ab 13. Januar 2000 Anspruch auf Arbeitslosenhilfe hat.

Die ... 1961 geborene Klägerin meldete sich am 24. Februar 1993 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld. Sie war vorher vom 1. September 1979 bis zum 15. Juli 1981 als Auszubildende und vom 16. Juli 1981 bis 31. März 1993 als Gärtnerin in der Gewächshausanlage V GmbH beschäftigt gewesen. Die Beklagte gab dem Antrag statt. Die Klägerin bezog Arbeitslosengeld vom 1. April bis 4. Dezember 1993. Am 13. Dezember 1994 meldete sie sich wiederum bei der Beklagten arbeitslos und beantragte erneut die Zahlung von Arbeitslosengeld. Sie war vom 1. Dezember 1993 bis 31. Dezember 1994 als Bauwerker bei der Arbeitsgemeinschaft Rückbau Gewächshausanlagen V mit einer Arbeitszeit von 32 Wochenstunden beitragspflichtig beschäftigt gewesen.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin Arbeitslosengeld vom 2. Januar bis 30. Oktober 1995. Vom 31. Oktober 1995 bis 26. Februar 1997 bezog sie Arbeitslosenhilfe.

Am 27. Februar 1997 begann die Klägerin eine Umschulung zur Steuerfachgehilfin mit einem Reha-Vorbereitungslehrgang, der bis zum 28. Mai 1997 dauerte. Daran schloß sich eine berufstheoretische Grundausbildung bis zum 27. August 1997 an. Die innerbetriebliche Umschulung in einem Steuerberatungsbüro war für die Zeit vom 28. August 1997 bis 27. August 1999 vorgesehen. Ab 1. Februar 1998 änderte sich das Ausbildungsziel. Die Klägerin erlernte den Beruf einer Bürokauffrau und schloss die Ausbildung am 12. Januar 2000 ab. Während der Zeit vom 27. Februar 1997 bis 12. Januar 2000 zahlte die Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt (LVA) der Klägerin Übergangsgeld. Vom 13. Januar bis 12. April 2000 bezog sie Anschlussübergangsgeld wiederum von der LVA.

Am 9. Dezember 1999 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Wiederbewilligung von Arbeitslosenhilfe. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. Mai 2000 ab, weil die Klägerin innerhalb der Vorfrist keine Arbeitslosenhilfe bezogen habe. Fristverlängernd wirkten Zeiten, in denen die Arbeitslosenhilfe nur wegen fehlender Bedürftigkeit nicht beansprucht werden könne oder eine hauptberufliche, selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt worden sei. Hierbei sehe das Gesetz nur eine Verlängerung um höchstens zwei Jahre vor, weil ein Zusammenhang zwischen der früheren Tätigkeit als Arbeitnehmer und der aktuellen Arbeitslosigkeit bestehen müsse. Die Klägerin erhob am 30. Mai 2000 Widerspruch und trug vor, sie sei im Rahmen einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme zur Bürokauffrau umgeschult worden und habe deshalb vom 27. Februar 1997 bis zum 12. April 2000 Übergangsgeld erhalten. Dieses Übergangsgeld stelle versicherungspflichtiges Arbeitseinkommen dar, sodass sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben habe. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2000 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Vorfrist ein Jahr betrage und mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Arbeitslosenhilfeanspruch beginne. Innerhalb der Vorfrist vom 13. April 1999 bis 12. April 2000 habe die Klägerin kein Arbeitslosengeld bezogen. Das treffe ebenfalls innerhalb der verlängerten Vorfrist vom 13. April 1997 bis 12. April 2000 zu. Der Bezug von Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme begründe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Hiergegen richtet sich die am 20. Oktober 2000 beim Sozialgericht Dessau eingegangene Klage. Die Klägerin hat ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren wiederholt und ergänzend ausgeführt, die Vorfrist dürfe nicht auf insgesamt drei Jahre begrenzt werden, da sie in Sonderfällen um die Zeit der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme insgesamt verlängert werden könne. In der so verlängerten Vorfrist habe sie Arbeitslosenhilfe bezogen. Außerdem sei ihr bei der Arbeitslosmeldung am 9. Dezember 1999 gesagt worden, dass sie noch Anspruch auf Anschlussübergangsgeld für die Dauer von drei Monaten habe und dies bei der LVA beantragen müsse. Nach diesem Hinweis habe sie bei der LVA einen Antrag gestellt und Anschlussübergangsgeld erhalten. Den Antrag auf Arbeit...

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