Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. GdB von 50. Versorgungsmedizinische Grundsätze. Diabetes mellitus. gravierende und erhebliche Einschnitte in die Lebensführung. erhöhter planerischer Mehraufwand bei Mahlzeiten. teilweises Zurücklegen des Arbeitswegs mit öffentlichen Verkehrsmitteln. keine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung bei fehlender medizinischer Notwendigkeit. Funktionsstörungen. Therapieaufwand. Insulininjektionen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein GdB von 50 aufgrund eines Diabetes mellitus setzt gravierende und erhebliche Einschnitte in die Lebensführung voraus. Ein erhöhter zeitlicher Aufwand bei den Mahlzeiten durch Messungen, Injektionen und Dokumentationen des Blutzuckerwertes genügt diesen Anforderungen auch nicht unter Berücksichtigung eines zeitaufwendigen Anfahrtsweges zur Arbeitsstelle, wenn dieser - ohne medizinische Notwendigkeit - teilweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt wird.

 

Normenkette

SGB IX § 69 Abs. 1, 3, § 2 Abs. 1 S. 1; BVG § 30 Abs. 1, 16; SGB X § 48 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 23.12.2016; Aktenzeichen B 9 SB 53/16 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.

Bei der am ... 1972 geborenen Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 12. April 1999 einen GdB von 40 wegen eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus fest. Den Neufeststellungsantrag der Klägerin, den diese mit der Notwendigkeit von fünf täglichen Insulininjektionen begründete, lehnte er mit Bescheid vom 20. Februar 2008 ab. Am 6. Februar 2012 stellte die Klägerin einen weiteren Neufeststellungsantrag und verwies auf den neu festgestellten Bluthochdruck. Der Beklagte holte einen Befundschein des Facharztes für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. M. vom 14. Februar 2012 ein, der über die derzeitige Therapieoptimierung des seit Januar 2012 bekannten Bluthochdrucks berichtete. Darunter seien die Blutdruckwerte rückläufig, aber noch nicht zufriedenstellend. Der Facharzt für Innere Medizin/Diabetologie K. teilte mit: Der Diabetes mellitus werde mit fünf bis sieben Insulininjektionen (je nach Ernährung) behandelt. Blutzuckermessungen seien vier- bis sechsmal täglich erforderlich. Die Insulinanpassungen erfolgten in Abhängigkeit von Blutzuckerwert, folgender Mahlzeit und körperlicher Belastung. In Anlage übersandte er die protokollierten Blutzuckermessungen für den Zeitraum vom 19. November 2011 bis 16. Februar 2012.

Mit Bescheid vom 17. April 2012 lehnte der Beklagte nach Beteiligung seines ärztlichen Dienstes (Dr. G.) die Neufeststellung des GdB ab, da der Bluthochdruck unter Medikation gut eingestellt sei und keinen Einzel-GdB erreiche. Nach Widerspruch der Klägerin am 26. April 2012 holte der Beklagte eine prüfärztliche Stellungnahme seines ärztlichen Gutachters Dr. B. vom 30. Mai 2012 ein, der ausführte: Es liege bei der Klägerin eine Zuckerkrankheit mit stabiler Stoffwechsellage vor. Eine durch erhebliche Einschnitte gravierend beeinträchtigte Lebensführung mit ausgeprägter Teilhabebeeinträchtigung sei aus den Befunden nicht ableitbar. Ein höherer GdB lasse sich daher nicht begründen. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2012 wies der Beklagte dem folgend den Widerspruch der Klägerin zurück und führte ergänzend aus: Spürbare Leistungseinbußen in Folge wechselnder Blutzuckerwerte und erheblich behindernder Auswirkungen des Diabetes mellitus bei der Planung des Tagesablaufs, der Freizeitgestaltung, der Mobilität und der Berufsausübung seien aus den vorliegenden Dokumentationen nicht erkennbar.

Dagegen hat die Klägerin am 27. September 2012 Klage beim Sozialgericht (SG) Halle erhoben und vorgetragen: Der Bluthochdruck sei nicht zufriedenstellend eingestellt. Im Februar und März 2012 sei sie wegen des Bluthochdrucks und einer Stoffwechselstörung für die Dauer von fünf Wochen arbeitsunfähig gewesen. Auch sei der Blutzucker nicht optimal eingestellt. Der letzte HbA1c-Wert habe 6,2 % betragen. Sie führe seit April 2012 auch ein Diabetikertagebuch. Sportliche Aktivitäten seien nur eingeschränkt möglich. Sie sei berufstätig und müsse fünf- bis siebenmal täglich ca. eine Viertelstunde vor den Mahlzeiten den Blutzucker messen, um die zu spritzenden Einheiten zu berechnen. Im Übrigen habe auch ihre Sehstärke nachgelassen. Dazu verwies sie auf einen Untersuchungsbefund der Fachärztin für Augenheilkunde Dipl.-Med. K., wonach der Visus rechts 0,9 und links 1,0 betragen habe. Eine diabetische Retinopathie liege danach nicht vor. Der HbA1c-Wert wurde mit 7,9 % angegeben. Außerdem verwies die Klägerin auf eine Heilmittelverordnung des Dipl.-Med. M. vom 10. Dezember 2012 aufgrund einer Erkrankung der Halswirbelsäule (HWS).

Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt. Dipl.-Med. M. hat am 5. April 2013 über eine Zunahme der diabetischen Neuropathie berichtet. Es bestünden Kribbelparästhesien im Bereich ...

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