Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. Einstiegsgeld. Voraussetzungen. Erforderlichkeit zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Arbeitslosigkeit. Beschäftigungsaufnahme vor Antragstellung
Leitsatz (amtlich)
1. Voraussetzung für die Bewilligung von Einstiegsgeld nach § 16 Abs 2 Nr 5 iVm § 29 Abs 1 SGB II ist die Erforderlichkeit zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
2. Arbeitslos im Sinne der Vorschrift ist auch, wer die Beschäftigung am Tag der Antragstellung aufgenommen hat.
3. Einstiegsgeld ist nicht erforderlich, wenn vor der Antragstellung der Arbeitsvertrag schon unterschrieben und der erste Arbeitstag beendet war.
Orientierungssatz
Der erkennende Senat geht davon aus, dass Erforderlichkeit dann vorliegt, wenn zwischen der begehrten Förderung und der beabsichtigten Eingliederung in den Arbeitsmarkt ein kausaler Zusammenhang besteht (so auch BSG vom 6.4.2006 - B 7a AL 20/05 R = SozR 4-4300 § 324 Nr 2 RdNr 21 und vom 6.5.2008 - B 7/7a AL 16/07 R = SozR 4-4300 § 217 Nr 2 RdNr 21. Erforderlichkeit setzt ferner voraus, dass eine Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt mit weniger kostspieligen Mitteln als der Bewilligung des Einstiegsgelds nicht erreicht werden kann.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Einstiegsgeld nach § 29 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Die am 1969 geborene Klägerin hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann und den beiden Kindern als Bedarfsgemeinschaft ab Januar 2005 zeitweise Leistungen nach dem SGB II bezogen. Auf den Weiterzahlungsantrag der Bedarfsgemeinschaft vom 14. November 2006 hatte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum von Dezember 2006 bis Mai 2007 bewilligt.
Die Klägerin schloss am 15. November 2006 einen Arbeitsvertrag mit der I. ___AMPX_•_SEMIKOLONX___XI. P. OHG als Produktionsarbeiterin. Das Arbeitsverhältnis war vom 16. November bis 22. Dezember 2006 befristet. Die regelmäßige durchschnittliche Wochenarbeitszeit betrug 35 Stunden bei einem Stundenlohn von 5,60 EUR brutto. Im Dezember 2006 wurde der Klägerin ein Nettolohn von 339,14 EUR und im Januar 2007 von 647,45 EUR, jeweils für den Vormonat, ausbezahlt.
Am 16. November 2006 sprach die Klägerin bei dem Beklagten vor und teilte die Aufnahme der befristeten Tätigkeit am selben Tag mit. Ferner beantragte sie die Bewilligung von Einstiegsgeld. Der Gesprächsvermerk des Sachbearbeiters wurde um 17:02 Uhr gefertigt. Mit Bescheid vom 20. November 2006 lehnte der Beklagte den Antrag auf Einstiegsgeld ab, da die Dauer der Beschäftigung nicht mindestens sechs Monate umfasse. Ausweislich eines Informationsblatts des Beklagten seien Voraussetzung für die Bewilligung von Einstiegsgeld u.a. Arbeitslosigkeit, die Aufnahme einer hauptberuflichen Erwerbstätigkeit mit einer Mindestarbeitszeit von 15 Stunden/Woche und von mindestens sechs Monaten Dauer sowie eine schriftliche Antragstellung spätestens im Folgemonat nach Aufnahme der Beschäftigung.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, seit sie die Arbeit aufgenommen habe, werde sie bestraft. Das erste vollständige Gehalt erhalte sie erst im Januar 2007 und sie habe große finanzielle Schwierigkeiten.
Am 22. Dezember 2006 schloss die Klägerin mit der I. für die Zeit ab 23. Dezember 2006 einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu unveränderten Vertragsbedingungen. Diesen legte sie dem Beklagten am 11. Januar 2007 vor. Die Bedarfsgemeinschaft verzichtete am 27. März 2007 ab Februar 2007 auf weitere Leistungen nach dem SGB II. Mit bestandskräftigem Änderungsbescheid, Aufhebungsbescheid sowie Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 17. Juli 2007 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für Dezember 2006 bis Januar 2007 unter Anrechnung des Einkommens der Klägerin ab, hob die Leistungsbewilligung ab Februar 2007 wegen der Abmeldung aus dem Leistungsbezug auf und forderte die für Dezember 2006 bis Januar 2007 zuviel bewilligten Leistungen zurück.
Der Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2007 - nach Erhebung einer Untätigkeitsklage der Klägerin am 31. Juli 2007 - den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Einstiegsgelds lägen nicht vor. Zwar gehöre die Klägerin grundsätzlich zum förderfähigen Personenkreis, jedoch müsse die aufgenommene Beschäftigung mindestens sechs Monate umfassen. Das befristete Arbeitsverhältnis erfülle diese Voraussetzung nicht. Unerheblich sei, dass mit demselben Arbeitgeber ab 23. Dezember 2006 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis geschlossen wurde. Denn das Einstiegsgeld sei ausschließlich für das befristete Beschäftigungsverhältnis beantragt worden. Einen Antrag auf Einstiegsgeld für das neue Beschäftigungsverhältnis habe die Klägerin nicht gestellt. Eine unterlassene Beratungspflicht liege nicht vor, da...