Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitunfall. Unfallbegriff. Unfreiwilligkeit und Unvorhersehbarkeit. partielle Bauchwandlähmung eines Organspenders nach Nierenentnahme. körperlicher Eingriff. Flankenschnitt. Einwilligung des Versicherten
Leitsatz (amtlich)
Ein nach § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB 7 versicherter Arbeitsunfall kommt bei einer Organspende nur bei einem zusätzlichen, von außen verursachten ungewollten Schaden in Betracht, der über die versicherte Tätigkeit als solche - die zur Organspende vorgenommene Operation - hinausgeht.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Nierenspendeoperation als Arbeitsunfall anzuerkennen und deshalb eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vom Hundert (vH) zu erbringen ist.
Der 1948 geborene Kläger spendete am 17. Oktober 2002 mittels einer Organentnahmeoperation in der Universitätsklinik und Poliklinik für Urologie H. seinem Bruder die linke Niere. Die stationäre Behandlung vom 16. bis 29. Oktober 2002, die primäre Wundheilung und der weitere postoperative Verlauf gestalteten sich unauffällig. Der Kläger wurde bei subjektivem Wohlbefinden nach Hause entlassen (Entlassungsbrief vom 29. Oktober 2002).
Vom 3. bis 24. Januar 2003 befand der Kläger sich zur stationären medizinischen Rehabilitation in der V. B. E ... Der Nephrologe Dr. S. berichtete im Abschlussbrief vom 29. Januar 2003, es liege ein Zustand nach Nephrektomie links mit verbliebenen stärkeren Narbenbeschwerden vor. Der Kläger gebe Narbenschmerzen in der Flanke bei tiefer Inspiration und bestimmten Bewegungen an. Es bestehe eine große Flankenunterbauchnarbe links, die bei Druckempfindlichkeit in der Narbenregion reizlos sei. Der Kläger fühle sich durch die nach der Operation unklaren bzw. fehlenden Entscheidungen der zuständigen Sozialversicherungsträger zu Fragen des Lohnersatzes, der Zahlung von Renten usw. psychisch deutlich beeinträchtigt.
Nach einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dipl.-Med. L. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Sachsen-Anhalt vom 1. August 2003 sei die derzeit noch bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers auf die Organentnahme zurückzuführen. Es sei zu einer deutlichen Leistungsminderung gekommen. Die weitere Dauer der Arbeitsunfähigkeit sei derzeit noch nicht absehbar. Aus einem Aktenvermerk der Beklagten über ein Gespräch mit der Krankenkasse des Klägers vom 10. September 2003 ging u.a. hervor, dass dieser seit der Organentnahme Narbenschmerzen habe. Im sozialmedizinischen Gutachten des Dr. A. vom MDK Sachsen-Anhalt vom 16. Dezember 2003 gab dieser weiterhin bestehende Narbenschmerzen des Klägers wieder. Dieser sei für seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit (als Maler) auf Dauer nicht mehr einsatzfähig. Mit einer wesentlichen Besserung der Leistungsfähigkeit sei nicht mehr zu rechnen. Es liege eine Nierenfunktionsstörung mit beginnender Retention vor.
Nach dem Bericht des Allgemeinmediziners P. vom 18. Januar 2004 bestehe beim Kläger außer einer reizlosen Narbe am linken Unterbauch und einem geringen depressiven Syndrom ein altersentsprechend unauffälliger Befund. In seinem Befundbericht vom 8. März 2004 gab der Internist Dr. B. E. D. M. eine Nierenfunktionsstörung mit isoliertem Kreatininanstieg an. Der Kläger gebe u.a. ständiges Unwohlsein und Kraftlosigkeit, innere Unruhe, Nervosität und Schlafstörungen sowie Schmerzen im Narbenbereich an. Die Narbe an der linken Flanke sei reizlos.
In dem von der Beklagten veranlassten Gutachten der Dres. H. und Privatdozent (PD) L. (Unfallchirurgische Klinik des Evangelischen D. F. H.) vom 16. Juni 2004 nach ambulanter Untersuchung am 27. Mai 2004 hielten diese an der linken Seite einen 35 cm langen, primär reizlos abgeheilten Flankenschnitt fest. Auffällig sei eine deutliche Vorwölbung des Weichgewebes im hinteren Anteil mit einer Länge von 10 cm. Die Narbe selbst sei nicht druckempfindlich oder übermäßig sensibel, die Haut im direkten Narbengebiet leicht sensibel unterversorgt. Beim Betasten lasse sich die Vorwölbung ohne Schmerzangaben in Richtung Bauchraum verschieben; sichere tastbare Ränder einer eventuellen Fascienlücke seien nicht auszumachen. Insgesamt liege damit eine Vorwölbung im Narbenbereich vor, die einem Narbenbruch entsprechen könne. Der ursächliche Zusammenhang zur Lebendnierenspende sei unzweifelhaft. Eine über drei Monate hinausgehende unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei ebenso wenig anzunehmen, wie eine entsprechende Behandlungsbedürftigkeit. Es bestünden eine auffällige psychische Labilität und eine tendenziell depressive Grundstimmung, die keine "Unfallfolgen" seien.
Unter dem 15. Juli 2004 berichtete die Psychologin B. über eine Erschöpfungssymptomatik des Klägers mit Ängsten, Antriebsstörungen, Lustlosigkeit und Suizidgedanken. Es liege eine neurotische Fehlentwicklung mit ...