Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Auszubildende. abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung. behinderter Mensch. Bezug von Ausbildungsgeld. Unterkunftskostenzuschuss. fiktive Bedürftigkeitsberechnung. Nichtberücksichtigung eines Mehrbedarfs
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung im § 7 Abs 5 SGB 2, wonach Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Berufsausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 51, 57 und 58 SGB 3 dem Grunde nach förderungsfähig ist, über die Leistungen nach § 27 SGB 2 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 haben, findet auch dann Anwendung, wenn die dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung von behinderten Menschen absolviert wird, die während der Ausbildung Anspruch auf Ausbildungsgeld nach den §§ 104 ff SGB 3 haben.
2. Bei der für die Feststellung des Anspruch auf Zuschuss zu den Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 27 Abs 3 SGB 2 vorzunehmenden fiktiven Bedürftigkeitsberechnung ist kein Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB 2 zu berücksichtigen.
Orientierungssatz
Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung, dass § 7 Abs 5 SGB 2 bei Bezug von Ausbildungsgeld keine Anwendung findet, nicht mehr fest (Aufgabe von LSG Halle vom 6.12.2011 - L 2 AS 438/11 B ER = FEVS 64, 171).
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 10. Dezember 2012 abgeändert und die Klage wird abgewiesen, soweit der Beklagte zur Erbringung von Leistungen über den im Termin vom 24. April 2014 anerkannten Anspruch des Klägers in Höhe von 20,27 EUR für Dezember 2010 und jeweils monatlich 29,67 EUR für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2011 hinaus verurteilt worden ist. Der Beklagte hat dem Kläger 1/5 der außergerichtlichen Kosten beider Rechtzüge zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für einen Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis zum 31. Mai 2011.
Der am .. 1991 geborene Kläger lebte im streitigen Zeitraum mit seiner Mutter und seinem am .. 2002 geborenen Bruder zusammen in einer Haushaltsgemeinschaft in einer angemieteten Wohnung. Für die Unterkunft waren monatlich 565,00 EUR für die Miete und eine Betriebskostenvorauszahlung und für die Heizung waren monatlich 61,00 EUR als Vorauszahlung für die zentrale Versorgung mit Wärme einschließlich der Warmwasserversorgung zu zahlen. Der Kläger ist ein behinderter Mensch. Er ist auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen und als Schwerbehinderter mit dem GdB von 100% anerkannt.
Der Kläger, seine Mutter und sein Bruder bezogen als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft bis Ende November 2010 Arbeitslosengeld II (Alg II) als Leistung zu Sicherung des Lebensunterhalts. Am 14. August 2010 nahm der Kläger eine Berufsausbildung zum Bürokaufmann im CJD Berufsbildungswerk in G. auf. Das CJD Berufsbildungswerk stimmte mit Schreiben vom 10. November 2010 einer vom Kläger gewünschten Aufhebung des mit ihm geschlossenen Berufsausbildungsvertrages mit Wirkung zum 12. November 2010 zu, so dass die Ausbildung dort endete. Der Kläger schloss einen neuen Berufsausbildungsvertrag mit dem Rehabilitationsbereich Halle der Dr. P. R: und Partner gemeinnützige Schulgesellschaft mbH (im Folgenden als Einrichtung bezeichnet) über eine Ausbildung zum Bürokaufmann ab, nahm die Ausbildung dort am 29. November 2010 auf und setzte sie auch über den streitigen Zeitraum hinaus fort. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 21. Dezember 2010 die Übernahme der Ausbildungskosten und Ausbildungsgeld in Höhe von 316,00 EUR monatlich für die Zeit vom 29. November 2010 bis zum 28. Mai 2012 als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Eine weitere Ausbildungsvergütung erhielt der Kläger im streitigen Zeitraum nicht. Er hatte auch kein sonstiges Einkommen außer das für ihn bewilligten Kindergeld in Höhe von monatlich 184,00 EUR.
Am 5. November 2011 stellte die Mutter des Klägers bei der ARGE SGB II H. GmbH (ARGE), die bis Ende 2010 als Rechtvorgängerin des Beklagten in H. für die Leistungsträger die Grundsicherungsleistungen erbrachte, einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab dem 1. Dezember 2010. Daraufhin bewilligte die ARGE mit einem Bescheid vom 10. November 2010 für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis zum 31. Mai 2011 nur noch Leistungen für die Mutter und den Bruder des Klägers, aber nicht mehr für den Kläger. Bei dieser Leistungsbewilligung berücksichtigte die ARGE bei dem Bruder des Klägers dessen Einkommen (Kindergeld und Unterhaltsleistungen) als bedarfsmindernd; sonstiges Einkommen war nicht zu berücksichtigen (wegen näherer Einzelheiten wird auf Blatt 65, 66 der Verwaltungsakten Bezug genommen). Die Mutter des Klägers erhob für diesen am 10. Dezember 2010 Widerspruch. Zur Begründung führ...