Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 3 Abs 1 Nr 4 SGB 7. § 34 Abs 2 der Satzung der Unfallkasse Sachsen-Anhalt. Förderung der Allgemeinheit. Abgrenzung: ehrenamtliche Tätigkeit. bürgerschaftliches Engagement. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. objektivierte Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Mitglied eines Frauenchores. öffentlicher Auftritt. Weihnachtskonzert
Leitsatz (amtlich)
Geht der Versicherte in erster Linie seinem Hobby nach, liegt regelmäßig eine private Handlungstendenz und damit keine versicherte - ehrenamtliche - Tätigkeit vor (hier: Singen in einem Chor).
Normenkette
SGB VII § 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nrn. 1-2, 5 Buchst. d, e, Nrn. 8-9, 10 Buchst. a, b, Abs. 2 S. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 8 Abs. 1 S. 2; AO § 52 Abs. 1 S. 1 Nrn. 5, 23; EStG § 10b Abs. 1 S. 8 Nr. 2; Satzung der Unfallkasse Sachsen-Anhalt § 34 Abs. 2, § 60 Anl. 1
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 7. November 2019 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Unfalles am 3. Dezember 2016 als Arbeitsunfall.
Die 19… geborene Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Mitglied des Frauenchores L. und trat mit diesem in der Öffentlichkeit auf. Am 3. Dezember 2016 gegen 14:37 Uhr kam die Klägerin auf dem Weg zu einem Auftritt des Chores mit ihrem PKW bei Glatteis von der Straße ab und überschlug sich. Sie wurde in das Krankenhaus B. in H. gebracht. Dort wurde eine Humerusfraktur, Kieferhöhlenfraktur, Fraktur des 6. und 7. Halswirbelkörpers, Brustwirbelfraktur D4 und eine Rippenserienfraktur diagnostiziert. Die Klägerin wurde am 9. Januar 2017 hausintern in die Neurochirurgie verlegt; zu dem Zeitpunkt war sie weiterhin komatös.
Der Frauenchor L. e.V. wurde am 10. Oktober 2016 gegründet und am 15. Dezember 2016 (also nach dem Unfall) in das Vereinsregister eingetragen. Er bestand jedoch schon lange vor dem streitigen Unfall. Die Klägerin war seit dem Jahre 2008 bis zu dem Unfall einfaches Vereinsmitglied. Der Verein ist in keinem Fach- oder Spitzenverband organisiert und hat keine Angestellten. Kein Vereinsmitglied erhält nach einer Auskunft der Vorsitzenden des Vereins Frau H. Zuwendungen oder eine Aufwandsentschädigung.
Frau H. teilte weiter mit, der Auftritt am 3. Dezember 2016 habe in den Räumlichkeiten der evangelischen Kirche in H. stattgefunden. Das evangelische Pfarramt H. habe dem Verein lediglich die Räumlichkeiten der Kirche für den Auftritt zur Verfügung gestellt. Es habe sich nicht um einen Auftritt im Auftrag der evangelischen Kirchengemeinde oder des evangelischen Pfarramtes H. gehandelt. Im Weiteren teilte die Klägerin mit, es habe sich um eine Fahrt zum Adventssingen gehandelt. Sie habe am 3. Dezember 2016 die ehrenamtliche Tätigkeit als Chormitglied mit dem Adventssingen aufgenommen.
Im Weiteren gab der Pfarrer der Gemeinde H. telefonisch an, es habe keinen Auftrag der Kirche für den Auftritt gegeben. Die Initiative sei von dem Chor ausgegangen, dem man den Auftritt unentgeltlich ermöglicht habe. Es habe ein gegenseitiges Einvernehmen bestanden.
Am 23. November 2017 zeigte die Klägerin bei der Beklagten an, dass sie einen Arbeitsunfall erlitten habe.
Mit Bescheid vom 25. Januar 2018 lehnte die beigeladene Verwaltungsberufsgenossenschaft die Gewährung von Leistungen aus Anlass des Unfalles vom 3. Dezember 2016 ab und führte aus, die Klägerin habe weder zum Frauenchor L. noch zum evangelischen Pfarramt H. in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Es habe auch kein Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b erste Alternative Sozialgesetzbuch Siebentes Buch (SGB VII) bzw. zweite Alternative dieser Vorschrift bestanden, da die Klägerin nicht für eine Religionsgemeinschaft tätig gewesen sei. Es habe schließlich keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit für den Frauenchor L. im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VII vorgelegen. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 1. März 2018 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Vorfalles als Arbeitsunfall nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a und Abs. 2 SGB VII sowie § 34 Abs. 2 ihrer Satzung ab. Sie führte insbesondere aus, die Voraussetzungen der letztgenannten Vorschrift hätten nicht vorgelegen. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass die Klägerin mit dem Singen einem privaten Hobby bzw. Privatinteressen nachgegangen sei. Das Adventssingen sei auch keine öffentlich-rechtliche Aufgabe.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und führte aus, nach § 3 der Satzung des Frauenchores L. e.V. verfolge dieser ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige/mildtätige/kirchliche Zwecke im Sinne des Abschnitts "steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung. Zweck des Vereins sei die Pflege des Chorgesanges. Hierfür bereite er sich durch regelmäßige Proben vor. Man stelle sich dabei auch in den Dienst der Öffentl...