Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Arbeitslosengeldes. Erweiterung des Bemessungsrahmens wegen unbilliger Härte. Verzicht auf Jahressonderzahlungen zur Arbeitsplatzsicherung

 

Orientierungssatz

1. Die Voraussetzungen für eine Erweiterung des Bemessungsrahmens auf 2 Jahre wegen unbilliger Härte gem § 130 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 3 idF vom 23.12.2003 liegen bei einer Differenz der maßgeblichen Bemessungsentgelte von 10% und mehr auch ohne Prüfung der Umstände im Einzelfall vor. Bei einer Differenz von weniger als 5% ist die Annahme einer unbilligen Härte regelmäßig ausgeschlossen. Liegt die Differenz zwischen 5% und 10%, so ist zusätzlich zu prüfen, ob sich eine unbillige Härte iS des § 130 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 3 aus den Umständen des Einzelfalls ergibt (Anschluss an LSG Essen vom 4.3.2009 - L 12 AL 66/08).

2. Liegt die Differenz der maßgeblichen Bemessungsentgelte iS des § 130 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 3 bei 9% und hat der Arbeitnehmer zur Sicherung gefährdeter Arbeitsplätze im Wege einer Betriebsvereinbarung vorübergehend auf Jahressonderzahlungen und -prämien verzichtet, so liegt eine unbillige Härte iS der Vorschrift vor.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.11.2010; Aktenzeichen B 11 AL 30/09 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe des Anspruchs der Klägerin auf Arbeitslosengeld, wobei es ihnen um die Frage geht, ob wegen einer unbilligen Härte der Bemessungsrahmen gem. § 130 Abs. 3 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) auf zwei Jahre zu erweitern ist.

Die Klägerin war vom 5. November 1990 bis zum 31. Dezember 2004 bei der D in deren Niederlassung in M beschäftigt. Ausweislich der Angaben des Arbeitgebers in der Lohnsteuerbescheinigung von Dezember 2003 erzielte sie vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2003 einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 31.170,25 €. Im ersten Quartal informierte der dafür angereiste Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats die Mitarbeiter in M darüber, das bundesweit die Anzahl der Teilnehmer an den von der D veranstalteten Seminaren zurückgegangen sei. Zur Sicherung der Arbeitsplätze sei es daher erforderlich, im Jahr 2004 einem Wegfall der Sonderzahlungen zuzustimmen. Damit erklärten sich die Mitarbeiter einverstanden. Aufgrund einer Betriebsvereinbarung fielen im Jahr 2004 die in den Vorjahren gezahlten besonderen Einmalzahlungen (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und Prämie) weg. Die Klägerin erzielte vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2004 infolge des Wegfalls der Sonderzahlungen nur noch einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 26.095,95 €.

Die Klägerin beantragte am 5. Oktober 2004 für die Zeit ab 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 25. Februar 2005 gewährte die Beklagte ihr ab 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld in Höhe von 32,30 € täglich (Bemessungsentgelt: 70,64 €). Dabei berücksichtigte die Beklagte bei der Leistungsbemessung das von der D bescheinigte Bruttoentgelt der Kläger im Zeitraum vom 1. November 2003 bis zum 30. November 2004. Hiergegen legte die Klägerin am 18. März 2005 Widerspruch ein und führte aus: Es sei ein höheres Bemessungsentgelt zu berücksichtigen. Das Arbeitsentgelt für Dezember 2004, das erst Ende Dezember gezahlt worden sei, müsse in die Berechnung einbezogen werden. Mit Schreiben vom selben Tag beantragte sie zudem die Berücksichtigung des Arbeitsentgeltes der letzten zwei Jahre vor der Arbeitslosigkeit wegen unbilliger Härte und fügte die Gehaltsabrechnungen und die Lohnsteuerkarte des Jahres 2003 bei.

Mit Änderungsbescheid vom 6. April 2005 stellte die Beklagte ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 71,30 € fest und bewilligte der Klägerin einen täglichen Leistungsbetrag in Höhe von 32,54 € (Leistungsgruppe C/0). Sie berücksichtigte mit diesem Änderungsbescheid - dem Widerspruch entsprechend - auch das Dezembergehalt und berechnete das Bemessungsentgelt nach dem vom Arbeitgeber bescheinigten Bruttoarbeitsentgelt für den Zeitraum 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2004: 26.095,69 € geteilt durch 366 Tage im Jahr 2004 = 71,30 € täglich. Mit weiterem Bescheid vom 6. April 2005 lehnte sie jedoch den Antrag der Klägerin auf eine Erweiterung des Bemessungsrahmens ab und führte aus: Das Bemessungsentgelt aus dem erweiterten Bemessungsrahmen übersteige nicht das um 10 % erhöhte Bemessungsentgelt aus dem Bemessungsrahmen gemäß § 130 Abs. 1 SGB III.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 2. Mai 2005 Widerspruch ein und begründete diesen wie folgt: Da sie im Jahr 2004 einen Gesamtverdienst von 26.095,69 € gehabt habe, im Jahr 2003 dagegen einen Gesamtverdienst von 31.170,25 € ergebe sich eine Differenz von 19,4 %.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine unbillige Härte im Sinne von § 130 Abs. 3 Nr. 2 SGB III liege erst vor, wenn das Bemessungsentgelt aus dem erweiterten Bemes...

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