Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. kurzfristige Antragstellung nach § 109 SGG. keine Vertagung der mündlichen Verhandlung bei fehlender Bereitschaft zur persönlichen Vorsprache in der mündlichen Verhandlung seitens des Gutachters

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vertagung einer mündlichen Verhandlung ist nicht unter dem Gesichtspunkt einer Antragstellung nach § 109 SGG am Tag vor der Sitzung geboten, wenn der Gutachter bereits zu diesem Zeitpunkt mitteilt, einer späteren Ladung zu einer mündlichen Verhandlung nach Erstattung des Gutachtens nicht Folge zu leisten. Auch für den Gutachtenauftrag nach § 109 SGG gilt nach § 118 Abs 1 S 1 SGG insoweit § 411 Abs 3 S 1 ZPO.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 04.01.2023; Aktenzeichen B 5 R 194/22 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 15. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI), nachdem dem Kläger ab dem 1. September 2020 eine Altersrente für langjährig Versicherte bewilligt worden ist.

Auf den Antrag des am ... 1957 geborenen Klägers vom 11. November 2015 bewilligte die Beklagte diesem mit Teilabhilfebescheid vom 16. Mai 2017 - nach Ablehnung einer Rentengewährung mit Bescheid vom 24. März 2016 - Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit Rentenbeginn am 1. Februar 2015 bis zur Regelaltersgrenze (Zahlbetrag ab dem 1. Juli 2017 441,43 €). Im Klageverfahren S 12 R 372/17 vor dem Sozialgericht Magdeburg wurde der Bescheid vom 16. Mai 2017 vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens in Bezug auf einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung angefochten und das Verfahren von beiden Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, soweit sie diesem nicht bereits abgeholfen hatte. Nach der im Widerspruchsverfahren getroffenen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung könnten mit dem vorhandenen Leistungsvermögen Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche regelmäßig ausgeübt werden. Der Kläger sei daher in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein.

In den Verwaltungsakten der Beklagten enthalten ist das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dipl.-Med. P. vom 27. Januar 2016, dem in der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung auf dem Ankreuzbogen ein Leistungsvermögen des Klägers von sechs Stunden und mehr täglich in körperlich leichten bis mittelschweren Arbeiten zu entnehmen ist. Zu vermeiden seien das Heben und Tragen von Gegenständen (dauerhaft über 10 kg, zeitweise nur mit Hebehilfen) und Überkopfarbeiten.

Mit seiner am 15. April 2019 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren der Rentengewährung weiterverfolgt und im Übrigen einen weiteren Klageantrag gestellt, der sich auf die Kosten aus dem erledigten Klageverfahren S 12 R 372/17 bezog. Die Beklagte müsse sich entscheiden, ob sie ihm - dem Kläger - umfangreiche Maßnahmen, um in das Erwerbsleben zurückkehren zu können, oder eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewähre. Auch leichte Belastungen des allgemeinen Arbeitsmarktes seien für ihn mit einem Mehr an Schmerzen verbunden.

Das Sozialgericht hat durch Einholung von Befundberichten ermittelt. Der Facharzt für Neurologie Dr. S. hat in seinem Befundbericht vom 28. April 2020 in der Anamnese auf Grund ambulanter Untersuchungen am 22. September und 12. Dezember 2017 rechtsbetonte lumbale Schmerzen mit Ausstrahlung in den rechten lateralen Oberschenkel mit leichter Hypästhesie ohne wesentliche Beschwerderegredienz angegeben. Eine letzte Konsultation durch den Kläger sei am 2. März 2018 erfolgt. Die Fachärztin für Orthopädie Dr. B. hat unter dem 24. März 2020 mitgeteilt, der Kläger habe sich dort nur am 19. Januar 2015 vorgestellt. Der Hausarzt des Klägers, der Facharzt für Innere Medizin Dipl.-Med. G., hat in seinem Befundbericht vom 19. März 2020 als Diagnosen eine arterielle Hypertonie und eine Spinalkanalstenose bei Spondylolisthese der Lendenwirbelsäule aufgeführt. Zur Frage des Sozialgerichts nach der Fähigkeit des Klägers, leichte Arbeiten mit zusätzlichen qualitativen Einschränkungen sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, ist dort angegeben: „Aus internistischer Sicht NEIN!! Die Befunde sprechen für sich Arbeiten in Zwangshaltungen längeres Laufen scheinen mir nicht möglich jedoch gebe ich zu bedenken in punkto Neurochirurgie Wirbelsäulenheilkunde Orthopädie ich keine!!! Fachkompetenz habe“. Zu vermeiden seien auch Bücken, Heben von Lasten über 10 kg, längeres statisches Arbeiten und längeres Sitzen. Er habe den Klä...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge