Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes bei dessen Gleichwohlgewährung
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach § 143 Abs. 1 SGB 3 für die Zeit, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder beanspruchen kann. Dies gilt aber nicht im Fall der sog. Gleichwohlgewährung, wenn der Arbeitslose das Arbeitsentgelt tatsächlich nicht erhält. Bei der Gleichwohlgewährung tritt eine Minderung des Gesamtanspruchs auf Arbeitslosengeld entsprechend der Anzahl der Tage ein, für die geleistet wird. Die Minderung tritt nicht ein, wenn die Arbeitsagentur für die Zeit der Gleichwohlgewährung tatsächlich Ersatz, z. B. aus der Insolvenzmasse des Arbeitgebers, erlangt hat.
2. Eine Verlängerung des Anspruchs folgt nicht daraus, dass es die Agentur unterlassen hat, den auf sie übergegangenen Anspruch auf Arbeitsentgelt bei dem Arbeitgeber gerichtlich einzufordern. Sie ist zur Geltendmachung des Anspruchs nicht verpflichtet.
3. Über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann eine Verlängerung der Bezugsdauer nicht erreicht werden. Ein solcher Anspruch scheitert daran, dass die Agentur zu einer Geltendmachung des auf sie übergegangenen Anspruchs gegenüber dem Arbeitgeber nicht verpflichtet ist.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) für eine längere als die bewilligte Anspruchsdauer.
Der am ...1963 geborene Kläger war seit dem 16. April 2002 bei der Fa. F.bau S ... GmbH in ... D ... (Arbeitgeber) als Tischler/Hilfsarbeiter beschäftigt. Er erhielt am 4. November 2003 eine betriebsbedingte Kündigung vom 31. Oktober 2003 wegen Arbeitsmangels zum 31. Januar 2004, gegen die er vor dem Arbeitsgericht Stendal (ArbG) Kündigungsschutzklage erhob.
Am 2. Januar 2004 meldete sich der Kläger bei der Beklagten zum 1. Februar 2004 arbeitslos und beantragte Alg. Er gab an, verheiratet zu sein; auf seiner Lohnsteuerkarte für das Jahr 2004 waren die Lohnsteuerklasse III und ein Kinderfreibetrag eingetragen. Der Arbeitgeber bescheinigte für den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2003 Arbeitsentgelt in Höhe von brutto 17.357,04 EUR. Mit Bescheid vom 4. Februar 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Februar 2004 Alg für eine Anspruchsdauer von 360 Tagen nach der Leistungsgruppe C/1 mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 193,20 EUR.
Weil der Kläger bei der Antragstellung angeben hatte, gegen die Kündigung gerichtlich vorzugehen und noch offenstehendes Arbeitsentgelt einzuklagen, teilte die Beklagte dem Arbeitgeber mit einem Schreiben vom 2. Februar 2004 mit, dass ein Anspruchsübergang für die Lohnansprüche etc. wegen des seit dem 1. Februar 2004 gewährten Alg eingetreten sei. Der Kläger erhielt hiervon nachrichtlich von der Beklagten durch ein Schreiben ebenfalls von 2. Februar 2004 Kenntnis, in dem die Beklagte den Anspruchsübergang mitteilte. Der Kläger wurde aufgefordert, es der Beklagten anzuzeigen, sofern ihm Ansprüche auf Arbeitsentgelt zuerkannt würden.
Der Kläger beendete das Arbeitsverhältnis durch eine eigene Kündigung wegen des Zahlungsrückstands des Arbeitgebers zum 6. Juni 2004. Am 22. Juni 2004 stellte das ArbG durch Versäumnisurteil fest, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht zum 31. Januar 2004 aufgelöst hatte.
Am 7. Juli 2004 nahm der Kläger eine neue Beschäftigung als Tischler bei einer Innenausbaufirma auf. Im Hinblick auf das Ende dieses Arbeitsverhältnisses meldete sich der Kläger am 3. August 2004 erneut bei der Beklagten arbeitslos. Die Beklagte bewilligte dem Kläger Alg mit Bescheid vom 20. September 2004 ab dem 1. September 2004.
Mit weiterem Versäumnisurteil vom 17. September 2004 verurteilte das ArbG den Arbeitgeber, an den Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar 2004 bis zum 6. Juni 2004 einen Gesamtbruttolohn von 6.262,48 EUR abzüglich der von der Beklagten für diesen Zeitraum gewährten Leistungen in Höhe von 3.505,20 EUR netto zu zahlen. Die Verfahrensbevollmächtigen des Klägers teilten der Beklagten mit einem Schriftsatz vom 31. Januar 2005 mit: Es sei gelungen, vom Arbeitgeber für den Kläger die offenen Lohnansprüche für die Zeit bis Ende Januar 2004 im Wege der Zwangsvollstreckung beizutreiben. Auch bezüglich der mit dem Urteil des ArbG vom 17. September 2004 titulierten Ansprüche würde die Zwangsvollstreckung betrieben, die aber nicht mehr erfolgversprechend verlaufe, weil die Firma die Geschäftstätigkeit so gut wie aufgeben habe. Die Zwangsvollstreckung könne vom Kläger nicht betrieben werden, soweit in dem - in Kopie beigefügten arbeitsgerichtlichen Urteil vom 17. September 2004 - der auf die Beklage übergegangene Anspruch in Höhe von 3.505,20 EUR abgesetzt sei.
Die Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 4. Januar 2005 an den Arbeitgeber und verlangte wegen des Anspruchsübergangs die Zahlung in Höhe des an den Kläger gezahlten Alg f...