Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Geltendmachung einer Erledigungsgebühr im Widerspruchsverfahren. kein Anfall bei Widerspruch gegen Ablehnung einer Erwerbsminderungsrente ohne konkrete Antragstellung
Leitsatz (amtlich)
Eine Einigungsgebühr kann nicht geltend gemacht werden, wenn im Widerspruch gegen einen die beantragte Rente wegen Erwerbsminderung ablehnenden Bescheid kein konkreter Antrag gestellt wird und auch im Übrigen den Ausführungen kein konkretisiertes Anliegen entnommen werden kann.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 26. März 2021 geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der zu erstattenden Kosten anwaltlicher Vertretung im Widerspruchsverfahren streitig. Insbesondere ist umstritten, ob die Erledigungsgebühr nach Nr. 1005, 1002 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) angefallen ist.
Der am ... 1962 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten am 1. Dezember 2016 zum wiederholten Mal die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung. Gegen die Ablehnung dieses Antrags mit Bescheid vom 31. Januar 2017 legte der Kläger - nunmehr anwaltlich vertreten - am 21. Februar 2017 Widerspruch ein. Mit der am 12. Juni 2017 eingegangenen Begründung gab der Kläger zunächst auszugsweise den Inhalt der Vorschrift des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) wieder und führte unter anderem aus, aufgrund seiner komplexen Erkrankungen nicht mehr in der Lage zu sein, einer Berufstätigkeit nachzugehen und weiterhin arbeitsunfähig zu sein. Da sich sein Gesundheitszustand seit September 2016 weiter verschlechtert habe, habe er am 1. Dezember 2016 erneut die begehrte „Rente wegen Erwerbsminderung“ beantragt. Seine multiplen Beschwerden schlössen eine Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch für leichte Tätigkeiten „nahezu“ aus. Ebenso verhindere seine Diabeteserkrankung eine „mindestens sechsstündige tägliche Leistungsfähigkeit“. Nach etwa zwei Stunden leichter körperlicher Verrichtungen sei er derart erschöpft, dass er sich mindestens eine Stunde hinlegen müsse. Auf zusätzliche Pausen bestehe jedoch kein Rechtsanspruch. Insoweit sei bei ihm von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auszugehen. Selbst bei einem unterstellten Restleistungsvermögen „zwischen 3-6 Stunden täglich“ wäre gleichwohl von einer vollen Erwerbsminderung auszugehen, da der Teilzeitarbeitsmarkt für ihn verschlossen sei. Wegen der weiteren Begründung wird auf Blatt 134 bis 137 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Nach Durchführung weiterer medizinischer Ermittlungen teilte die Beklagte dem Kläger unter dem 27. November 2017 mit, aufgrund des Widerspruchs die Entscheidung im Bescheid vom 31. Januar 2017 überprüft zu haben. Im Ergebnis der weiteren Sachaufklärung erkläre sie sich bereit, Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. Mai 2017 bis zum 30. April 2020 ausgehend vom Leistungsfall am 14. Oktober 2016 zu erbringen. Der Kläger möge bis zum 15. Dezember 2017 mitteilen, ob sich sein Widerspruch mit dieser Entscheidung erledigt habe.
Am 11. Dezember 2017 teilte der Kläger mit, den „unterbreiteten Vergleichsvorschlag“ anzunehmen. Gleichzeitig beantragte er die Übernahme der im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen. Mit dem die Rente bewilligenden Bescheid vom 11. Dezember 2017 erklärte sich die Beklagte bereit, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren- und Sozialdatenschutz - SGB X) dem Grunde nach in voller Höhe zu erstatten.
Mit der Kostennote vom 22. März 2018 machten die Bevollmächtigten des Klägers gegenüber der Beklagten insgesamt 791,35 € geltend, u.a. eine „Einigungsgebühr“ gem. §§ 2, 14 RVG, Nrn. 1005, 1000, 2302 Nr. 1 VV i.H.v. 345,00 €. Nachdem die Beklagte unter dem 27. März 2018 darauf hingewiesen hatte, dass die geltend gemachte Erledigungsgebühr als unbillig angesehen werde, da hierfür als Mitwirkungshandlungen weder die Einlegung noch die Begründung des Widerspruchs ausreichten und durch die Geschäftsgebühr abgegolten worden seien, hielten die Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 12. April 2018 daran fest, die Erledigungsgebühr sei entstanden und erstattungsfähig. Sie - die Bevollmächtigten - hätten Widerspruch mit dem Begehren eingelegt, dem Kläger Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung „ab Antragstellung, also ab 01.12.2016“ zu bewilligen. Nach Abgabe des „Teilanerkenntnisses“ sei durch Hinwirken auf den Kläger der weitergehende Anspruch, d.h. Rente wegen Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2016 bis zum 30. April 2017, nich...