Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. vorläufige Leistungsbewilligung. Aufforderung zur Angabe von Vermögen. Bestimmtheit. Leistungserstattung bei endgültiger Entscheidung. keine teilweise Vorläufigkeit. keine Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. keine analoge Anwendung des § 335 SGB 3

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erfolgt eine Leistungsbewilligung nach dem ausdrücklichen Hinweis des SGB II-Leistungsträgers in dem Bescheid auf der Grundlage von § 40 Abs 1 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB III vorläufig, bezieht sich diese Regelung im Verfügungssatz auf den gesamten Bewilligungsbescheid (Regelleistung und KdU), auch wenn in der Begründung zur Vorläufigkeit nur auf erforderliche weitere Ermittlungen zu den KdU verwiesen wird.

2. Eine nur teilweise Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung kommt dann nur ausnahmsweise nach Auslegung in Betracht, wenn sich aus der Begründung des Bescheids für die Beteiligten eindeutig erkennbar ergibt, dass abweichend von der Formulierung im Verfügungssatz über einen Teil des Anspruchs bereits abschließend entschieden werden sollte.

3. Bei der Auslegung des Verfügungssatzes ist auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte, auf allgemein zugängliche Unterlagen oder auf Schriftverkehr zwischen den Beteiligten zurückzugreifen (vgl BSG vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R = BSGE 113, 184 = SozR 4-1300 § 45 Nr 13; BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R = BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12). Einer im Zusammenhang mit der vorläufigen Bewilligung versandten Aufforderung zur Angabe von Vermögen (Vorlage der ausgefüllten Anlage VM) kommt insoweit wesentliche Bedeutung zu.

4. Bei einer vorläufigen Leistungsgewährung nach § 328 Abs 1 SGB III kommt eine Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 40 Abs 1 S 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 Abs 3 S 2 SGB III nicht in Betracht, da nach dem Wortlaut des Gesetzes nur die erbrachten "Geldleistungen" iSv § 328 Abs 1 S 1 SGB III zu erstatten sind (vgl LSG Chemnitz vom 22.5.2014 - L 3 AS 600/12, juris, LSG Halle vom 28.3.2012 - L 2 AS 24/12 B, juris RN 18). Geldleistungen sind SGB II-Barleistungen an den Berechtigten, ggf auch an Dritte. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sind keine Geldleistungen und fallen deshalb nicht unter § 328 SGB III.

 

Tenor

Das Urteil des SG Dessau-Roßlau vom 12. Dezember 2013 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Bescheid des Beklagten vom 12. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 wird aufgehoben, soweit vom Kläger die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 284,22 EUR verlangt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu einem Viertel zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist die Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II für zwei Monate in Höhe von 1.127,88 EUR.

Der am ... 1950 geborene Kläger stellte bei dem Beklagten erstmals am 21. Juli 2008 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) - Arbeitslosengeld II/Sozialgeld. In der Anlage VM zur Feststellung der Vermögensverhältnisse gab er an, ein Girokonto mit einem Guthaben von 4.069,05 EUR, ein Sparbuch mit einem Anlagebetrag von 5.000 EUR und einen Sparbrief "ABI-Startzins", ebenfalls über einen Betrag von 5.000 EUR, zu besitzen. Sein Bargeld bezifferte er auf 25 EUR. Des Weiteren gab er an, ein teilweise selbstgenutztes Hausgrundstück zu besitzen und geringe Einkünfte aus der Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen zu beziehen. Mit Bescheid vom 19. November 2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 21. Juli 2008 bis 31. Januar 2009 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 351 EUR nebst Kosten für Unterkunft und Heizung in anfänglicher Höhe von 66,36 EUR, insgesamt von zunächst 417,36 EUR. Diese Leistungen bewilligte der Beklagte nach dem ausdrücklichen Hinweis in dem Bewilligungsbescheid auf der Grundlage von § 40 Abs. 1, Nr. 1a SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) - SGB III vorläufig, da über den Leistungsanspruch des Klägers derzeit noch nicht abschließend entschieden werden könne. Zugleich forderte der Beklagte den Kläger auf, Pachtverträge für die angegebenen Flurstücke vorzulegen, damit eine endgültige Bewilligung seiner Leistung festgestellt werden könne. Mit zwei Bescheiden vom 22. Januar 2009 setzte der Beklagte sodann die monatlichen Leistungen für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 31. Januar 2009 sowie vom 1. Februar 2009 bis 31. Juli 2009 endgültig fest, und zwar in Höhe von 417,36 EUR für die Monate August und September 2008, in Höhe von 427,83 EUR für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis 31. Januar 2009 und ebenfalls in H...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge