Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Einpersonenhaushalt in Wernigerode im Landkreis Harz in Sachsen-Anhalt. Angemessenheitsprüfung. Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts des Grundsicherungsträgers. Begrenzung der Unterkunftskosten auf die Werte der Wohngeldtabelle zuzüglich Sicherheitszuschlag. Voraussetzungen einer Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Begrenzung der Kosten der Unterkunft kann für den streitigen Zeitraum (Juli 2011 bis September 2012) nur auf die Werte der Wohngeldtabelle mit Sicherheitszuschlag (10 %) erfolgen, da kein schlüssiges Konzept des Leistungsträgers iS der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vorlag.
2. Die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten kann insbesondere dann in Betracht kommen, wenn es dem Leistungsempfänger aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder zumutbar ist, in eine andere (kostengünstigere) Wohnung umzuziehen (hier nicht hinreichend nachgewiesen).
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 25. August 2016 wird
aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung höherer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) für den Zeitraum von Juli 2011 bis September 2012 streitig.
Die 1967 geborene Klägerin und Berufungsbeklagte (im weiteren Klägerin) hatte seit Dezember 2007 zusammen mit ihrem Sohn (K. G.) eine 75,40 m² große Wohnung in der K.straße 3 in W. bewohnt. Die Kosten für die Grundmiete hatten sich auf 375 €/Monat, die Betriebskosten auf 60 €/Monat und die Heizkosten auf 40 €/Monat belaufen. Der Beklagte und Berufungskläger (im weiteren Beklagter) hatte die kalten Kosten der Unterkunft (KdU) nur i.H.v. 345 €/Monat bewilligt, da die Klägerin auf eigenen Wunsch umgezogen sei. Bereits für die vorherige Wohnung hatte der Beklagte die KdU nach der Kostensenkungsaufforderung vom 4. Dezember 2006 nur mit 345 €/Monat in die Leistungsberechnung eingestellt.
Nach dem Auszug des Sohnes zum 1. Oktober 2008 teilte der Beklagte mit, dass die Unterkunftskosten unangemessen hoch seien. Für einen 1-Personen-Haushalt seien max. 300 €/Monat angemessen. Die bisherigen Kosten i.H.v. 345 €/Monat würden nur noch bis Ende März 2009 berücksichtigt. Die Klägerin wandte hiergegen mit Schreiben vom 4. Dezember 2008 ein, ihr sei aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen ein Umzug nicht möglich. Sie sei an der Wirbelsäule operiert worden (stationärer Aufenthalt vom 23. November bis 2. Dezember 2008). Sie werde sich aber gleichwohl um geeigneten Wohnraum bemühen. Der Beklagte verlängerte die Frist zur Kostensenkung mit Schreiben vom 13. Februar 2009 bis zum 31. Juli 2009. Mit Schreiben vom 15. März und 31. Juli 2009 teilte die Klägerin mit, dass sich ihr Gesundheitszustand nicht verbessert habe. Der Heilungsprozess dauere ca. 2 Jahre, sie sei zeitweise auf Gehhilfen angewiesen und habe Leistungen der Pflegeversicherung beantragt. Ihre derzeitige Wohnung liege im Erdgeschoss. Eine Kostensenkung durch Umzug sei derzeit ausgeschlossen. Der Hauseigentümer habe auch eine Untervermietung abgelehnt. Sie versuche weiterhin, eine geeignete Wohnung (Erdgeschoss, breite Türen wegen Gehhilfe und Rollstuhl) zu finden.
Der Beklagte leitete am 8. Dezember 2009 eine Begutachtung der Klägerin zur Frage der möglichen Durchführung eines Umzugs ein. Dr. J. stellte in der gutachterlichen Äußerung vom 20. Dezember 2009 fest, dass die Klägerin gesundheitlich nicht in der Lage sei, einen Umzug durchzuführen. Eine Nachbegutachtung sei nicht vor Ablauf von einem Jahr erforderlich. Der Beklagte gewährte daraufhin bis Juni 2011 die KdU weiterhin i.H.v. 345 €/Monat.
Die Klägerin hatte zudem eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt. Der Rentenversicherungsträger hatte mit Bescheid vom 4. November 2009 eine Rentengewährung abgelehnt. Es liege weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vor.
Der Beklagte bewilligte mit Bescheiden vom 17. Mai 2011 und 2. Januar 2012 Leistungen für den Zeitraum von Juli 2011 bis Dezember 2011 i.H.v. 749 €/Monat und für Januar 2012 i.H.v. 759 €. Mit Bescheid vom 2. Januar 2012 bewilligte er für den Zeitraum von Februar bis September 2012 Leistungen i.H.v. 759 €/Monat. Er berücksichtigte dabei Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) i.H.v. 385 €/Monat (KdU i.H.v. 345 € und Heizkosten i.H.v. 40 €).
Am 19. April 2012 beantragte die Klägerin die Überprüfung der Bescheide für die Leistungszeiträume von Juli 2011 bis September 2012 hinsichtlich der Bedarfe für die Unterkunft. Die tatsächliche Bruttokaltmiete i.H.v. 435 €/Monat sei zu übernehmen. Der Beklagte habe die Auflage zum Umzug im Frühjahr 2009 zurückgezogen.
Mit Bescheid vom 10. Mai 2012 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Die KdU seien unangemessen. Aufgrund der Kostensenkungsaufforderung vom 4. Dezember 2006 s...