Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderversorgung der Angehörigen der Deutschen Volkspolizei. ehemalige DDR. Berücksichtigung von Bekleidungs- und Verpflegungsgeld als Arbeitsentgelt. Ermessen des Versorgungsträgers zur Korrektur eines Feststellungsbescheids

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das an die Beschäftigten der Deutschen Volkspolizei der DDR gezahlte Verpflegungs- und Bekleidungsgeld ist festzustellendes Arbeitsentgelt nach §§ 6, 8 AAÜG (Abgrenzung zu dem an die Mitarbeiter der Zollverwaltung der DDR gezahlten Verpflegungsgeld und Reinigungszuschuss). Es handelt sich um Arbeitsentgelt iS von § 14 SGB IV. Es liegt auch kein ausnahmsweiser Ausschluss vor, denn die Leistungen wären am 1.8.1991 steuerpflichtig nach dem EStG gewesen, und sie wurden nicht im überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Dienstherrn gezahlt (so auch LSG Halle vom 13.10.2016 - L 3 RS 11/15).

2. Das Ermessen des Versorgungsträgers zur Korrektur eines Feststellungsbescheids im Rahmen von § 44 SGB X ist auch für den Zeitraum vor dem Antrag nach § 44 SGB X regelmäßig auf Null reduziert (entgegen LSG Halle vom 13.10.2016 - L 3 RS 11/15).

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Feststellung des neben dem Bruttoverdienst gezahlten Verpflegungs- und Bekleidungsgelds für die Zeit vom ... 1970 bis zum ... 1979 als weitere Entgelte nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG).

Die am ... 1947 geborene Klägerin war vom ... 1965 bis ... 1979 bei der Deutschen Volkspolizei der DDR tätig. Sie war vom ... 1968 bis zum ... 1979 in das Sonderversorgungssystem des Ministeriums des Innern der ehemaligen DDR (VSO-MdI) (Nr. 2 der Anlage 2 zum AAÜG) einbezogen. Neben dem Bruttoverdienst bezog sie u.a. Verpflegungs- und Bekleidungsgeld, die nicht sozialversicherungs- und lohnsteuerpflichtig waren. Die Zahlungen wurden in den Besoldungsstammkarten über die Klägerin dokumentiert. Der Beklagte hat - von diesen Eintragungen ausgehend - im sozialgerichtlichen Verfahren eine Auflistung über die erfolgten Zahlungen im streitigen Zeitraum, getrennt nach Jahren und nach Verpflegungs- sowie Bekleidungsgeld, vorgelegt. Über die Höhe der tatsächlichen Zahlungen besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom ... 2003 stellte die Polizeidirektion M. für das beklagte Land für den Zeitraum vom ... 1968 bis zum ... 1979 Zeiten der Zugehörigkeit zum VSO-MdI fest. Darin berücksichtigte sie nur den jeweils erzielten Jahresbruttoverdienst.

Am 26. August 2009 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheids und begehrte die Feststellung von weiteren Entgelten nach dem AAÜG, insb. des gezahlten Verpflegungs- und Bekleidungsgelds.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 18. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Mai 2010 die Feststellung von weiteren Entgelten ab. Die bisherige Rechtsprechung betreffe Einzelfallentscheidungen oder die Zusatzversorgungssysteme. Sie sei daher auf die Sonderversorgungssysteme nicht übertragbar. Es werde eine obergerichtliche Klärung angestrebt.

Dagegen hat die Klägerin am 4. Juni 2010 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, das Verpflegungs- und Bekleidungsgeld seien Arbeitsentgelt i.S.v. § 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV). Sie hat sich auf Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. August 2007 (B 4 RS 4/06 R) und des erkennenden Senats vom 17. Juli 2008 (L 1 RA 243/05) bezogen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, es handele sich nicht um Arbeitsentgelte. Die Urteile des BSG beträfen nur die Zusatzversorgungssysteme. Die hier streitigen Leistungen seien als Sozialleistungen und Aufwandsentschädigung anzusehen. Sie hätten auch nicht der Steuer- und Beitragspflicht der DDR unterlegen. Eine Berücksichtigung komme nur in Betracht, sofern diese nach dem Recht der DDR renten- oder versorgungsrechtliche Auswirkungen gehabt hätten. Die rentenrechtliche Berücksichtigung würde auch zu einer Ungleich-behandlung der Arbeitnehmer mit gewährter Vollverpflegung führen.

Das SG hat mit Urteil vom 28. Juni 2012 antragsgemäß den Bescheid vom 18. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2010 aufgehoben. Es hat ferner den Beklagten verpflichtet, unter Abänderung des Bescheids vom 29. Dezember 2003 für die Zeit vom ... 1970 bis ... 1979 Verpflegungs- und Bekleidungsgeld entsprechend der Zahlungen für die einzelnen Jahre als weitere Arbeitsentgelte festzustellen. Verpflegungs- und Bekleidungsgeld seien laufende Einnahmen aus einer Beschäftigung und daher Arbeitsentgelt i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Nach der Rechtsprechung des BSG sei der Begriff des Arbeitsentgelts nach § 14 SGB IV zu bestimmen; eine Anknüpfung an das Recht der ehemaligen DDR sei nicht vorzunehmen. Es müsse sich nicht u...

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