Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. Zweipersonenhaushalt in Wittenberg in Sachen-Anhalt. Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts. keine repräsentative fehlerhafte Datenerhebung. Nichtberücksichtigung von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern. Ermittlung angemessener Heizkosten bei zentraler Warmwasserbereitung anhand des bundesweiten Heizspiegels
Leitsatz (amtlich)
1. Werden Daten von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern in einem ländlichen Vergleichsraum, der durch das Wohnen in solchen Gebäuden geprägt ist, nicht erhoben, liegt kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten vor.
2. Um die Repräsentativität der erhobenen Daten für ein Konzept sicherzustellen, ist der (lokale) Mietwohnungsmarkt wirklichkeitsgetreu abzubilden. Die Datenerhebung muss ihm in ihrer Zusammensetzung und in der Struktur der relevanten Merkmale möglichst ähnlich sein.
3. Eine fehlerhaft gezogene Stichprobe wird nicht durch eine größere Anzahl einbezogener Datenwerte repräsentativ.
4. Im Rahmen der Ermittlung angemessener Heizkosten bei zentraler Warmwasserbereitung ist der nach dem bundesdeutschen Heizspiegel bis 2013 allein ausgewiesene Wert für die Raumwärme um den angegebenen Wert für die Warmwasserbereitung zu erhöhen.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 1, 3 Nr. 4 Fassung: 2011-12-20, §§ 7a, 22 Abs. 1 Sätze 1, 3-4, § 22b Abs. 1 S. 4; SGB X § 44 Abs. 1 S. 1; SGG § 54 Abs. 2 S. 1, § 153 Abs. 1, § 160 Abs. 2
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägerinnen auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten sind im Überprüfungsverfahren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. November 2013 bis zum 30. April 2014. Streitig ist allein die Höhe der anzuerkennenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Hinblick auf die abstrakte Angemessenheit.
Die am ... 1964 geborene Klägerin und Berufungsbeklagte zu 1. (im Folgenden: Klägerin zu 1.) und ihre am ... 1997 geborene Tochter, die Klägerin und Berufungsbeklagte zu 2. (im Folgenden: Klägerin zu 2.), lebten im streitigen Zeitraum gemeinsam in einer Mietwohnung in der Lutherstadt Wittenberg mit einer Wohnfläche von 78,41 m² bei einer Gesamtfläche des Gebäudes von 763,17 m². Bis zum 11. Dezember 2012 hatte dort auch die Tochter der Klägerin zu 1., M. R., gelebt. Für diese Wohnung hatten die Klägerinnen ab dem 1. September 2013 eine monatliche Gesamtmiete von 554,76 EUR zu zahlen, wovon 318,01 EUR auf die Grundmiete, 121,86 EUR auf die Vorauszahlung für Betriebskosten und 114,89 EUR auf die Vorauszahlung für Heizkosten (Fernwärme) und zentrale Warmwasserbereitung entfielen.
Die Klägerinnen bezogen vom Beklagten und Berufungskläger (im Folgenden: Beklagter) Leistungen nach dem SGB II. Im streitigen Zeitraum erzielte die Klägerin zu 1. einen Aushilfslohn in Höhe von monatlich 62 EUR und die Klägerin zu 2. Kindergeld in Höhe von monatlich 184 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 15. März 2013 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen für den Zeitraum vom 1. März bis zum 30. April 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 1.020,13 EUR. Seiner Leistungsberechnung legte er die seiner Auffassung nach angemessene Bruttokaltmiete (BKM) für einen Dreipersonenhaushalt zu Grunde. Zugleich wies er die Klägerinnen im Bescheid darauf hin, dass die derzeitigen Unterkunftskosten unangemessen seien und forderte sie auf, diese bis zum 30. September 2013 auf ein angemessenes Maß zu senken. Danach werde er nur noch die für einen Zweipersonenhaushalt angemessene BKM von 316,20 EUR berücksichtigen. Als angemessene Heizkosten sei der Wert entsprechend des aktuellen bundesdeutschen Heizspiegels für einen Zweipersonenhaushalt mit einer angemessenen Wohnfläche von 60 m² anzusetzen.
Am 14. Oktober 2013 beantragten die Klägerinnen die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 1. November 2013. Mit Bescheid vom 17. Oktober 2013 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen für die Zeit vom 1. November 2013 bis zum 30. April 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 944,04 EUR. Bei der Leistungsberechnung berücksichtigte er die seiner Ansicht nach angemessene BKM von 316,20 EUR und angemessene Heizkosten nach dem bundesdeutschen Heizspiegel 2013 von 95 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 23. November 2013 nahm der Beklagte die Änderung der Regelsatzhöhe ab Januar 2014 vor. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 22. April 2014 bewilligte er den Klägerinnen für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. April 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 967,72 EUR, wobei er nunmehr entsprechend seiner geänderten Verwaltungsvorschrift die ab Januar 2014 angemessene BKM von 322,80 EUR berücksichtigte. Die Höhe der bewilligten Heizkosten blieb unverändert.
Am 18. Oktober 2014 beantragten di...