Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsanspruch des Krankenhauses für eine teilstationäre Krankenhausbehandlung bei bestehender Alkoholkrankheit
Orientierungssatz
1. Die Grundsätze der Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung sind sinngemäß auf die teilstationäre Behandlung zu übertragen, die ihrerseits gegenüber der noch kostengünstigeren ambulanten Behandlung abzugrenzen ist. Bei bestehender Alkoholkrankheit dient eine teilstationäre Krankenhausbehandlung der Fortsetzung des akuten Entzugs der Festigung der Abstinenz und der Vorbereitung einer weiteren Entwöhnungsbehandlung. Damit handelt es sich um teilstationäre Akutbehandlung.
2. Die Entscheidung, ob eine voll- oder teilstationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, obliegt nicht dem Krankenhaus, sondern der Krankenkasse.
3. Bei der Auslegung des Begriffs "erforderlich" i. S. von § 39 Abs. 1 SGB 5 sind die Besonderheiten der teilstationären Behandlung einer psychiatrischen Erkrankung besonders zu beachten. Versicherte mit einem schweren psychiatrischen Leiden, wozu die Alkoholkrankheit zählt, haben Anspruch auf stationäre bzw. teilstationäre Krankenhausbehandlung, wenn nur auf diese Weise ein erforderlicher komplexer Behandlungsansatz durch das Zusammenwirken eines multiprofessionellen Teams unter fachärztlicher Leitung erfolgversprechend verwirklicht werden kann.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. April 2005 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin für die teilstationäre Behandlung des Versicherten M. vom 5. bis 18. November 2002 1.590.80 EUR nebst 4 % Zinsen seit 23. Juni 2003 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.590,80 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Umstritten ist der Vergütungsanspruch aus einer teilstationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin ist Trägerin des Klinikums B. (im Folgenden: Krankenhaus), das in den Krankenhausplan des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen ist. Der 1958 geborene und bei der Beklagten versicherte M. (im Folgenden: Versicherte) wurde auf Grund der Einweisung des praktischen Arztes Dr. K. vom 21. Oktober 2002 als Notfall wegen eines akuten Alkoholabusus vollstationär im Krankenhaus aufgenommen. Hieran schloss sich in der in der Zeit vom 5. bis 18. November 2002 eine teilstationäre Behandlung an, deren Vergütung zwischen den Beteiligten streitig ist. Im Kostenübernahmeantrag vom 23. Oktober 2002 gab das Krankenhaus als voraussichtlichen Entlassungstermin des Versicherten den 4. November 2002 an. Am 1. November 2002 beantragten die Ärzte des Krankenhauses für den Versicherten u.a. eine Entwöhnungsbehandlung und die Vorbereitung auf eine teilstationäre Belastungserprobung. Dr. B. beschrieb die bisherigen Maßnahmen des Krankenhauses und diagnostizierte beim Versicherten u.a. ein Alkoholentzugssyndrom bei Alkoholabhängigkeit nach Alkoholintoxikation, einen Diabetes mellitus, eine Adipositas, eine Leberzirrhose und einen Zustand nach Pankreatitis.
Die Beklagte beauftragte den Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse (MDK) und Facharzt für Innere Medizin H. Drake mit der medizinischen Prüfung. Dieser sprach sich am 13. November handschriftlich für eine Verlängerung bis 1. November, jedoch "max. 2.12.02" (gemeint: 2. November 2002) aus. Außerdem vermerkte er "sekundär fehlbelegt" und wies auf die Möglichkeit ambulanter Kontrollen hin (Bl. 7 d. VA). Am 15. November 2002 erhielt die Beklagte den Kostenübernahmeantrag für eine teilstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten vom 5. bis voraussichtlich 20. November 2002. Ferner beantragte der Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Krankenhauses Privatdozent (PD) Dr. B. am 29. November 2002 eine Alkoholentwöhnungsbehandlung. Nach der Entlassungsanzeige des Krankenhauses vom 19. November 2002 hatte der Versicherte am 18. November 2002 die teilstationäre Behandlung mit der Diagnose einer psychischen Störung durch Alkohol sowie eines Alkoholsyndroms verlassen. Ab 2. Dezember musste er im Krankenhaus nochmals wegen eines akuten Alkoholabusus vollstationär bis zum 7. Dezember 2002 behandelt werden. Zwischen den Beteiligten bestand eine Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2002, deren § 9 folgende Zahlungsbestimmung enthielt:
"Der Rechnungsbetrag ist spätestens am 21. Kalendertag nach Eingang der Rechnung fällig. Die Fälligkeit tritt am 28. Kalendertag unter Berücksichtigung eines Post- und Banklaufweges von 7 Tagen ab Rechnungsdatum ein. Nach Mahnung können bei Überschreitung des Fälligkeitstermins Verzugszinsen in Höhe von 4 % p.a. erhoben werden. Die Rechnungen sind kontinuierlich und vollständig mit den Daten nach § 301 SGB V zu legen."
Die Beklagte beauftragte den MDK Niedersachsen mit einem Sozialmedizinischen Gutachten vom 19. Dezember 2002. Der bzw. die Gutachter/in H. wertete dabei den vom MDK angeforderten Entlassungsbericht des Krankenhauses aus und gab an: Nach einem Bericht vom 9. Dezember 2002...