Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Anfechtungsklage. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen. Beschränkung der Minderjährigenhaftung. Anwendbarkeit des § 1629a BGB bei Rückforderung von Grundsicherungsleistungen. Eintritt der Volljährigkeit während des Klageverfahrens. maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Nichtberücksichtigung unpfändbarer Sachen bei der Ermittlung des zum Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 4 AS 43/17 R
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beschränkung der Minderjährigenhaftung gemäß § 1629a BGB findet im SGB II entsprechende Anwendung. Sie ist bereits im Erkenntnisverfahren über eine Anfechtungsklage gegen einen Erstattungsbescheid zu berücksichtigen (vgl BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R = BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2; BSG vom 18.11.2014 - B 4 AS 12/14 R = SozR 4-1300 § 50 Nr 5).
2. Dies gilt auch, wenn die Volljährigkeit erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids, während des laufenden Klageverfahrens eintritt (Anschluss an LSG Berlin-Potsdam vom 19.4.2013 - L 26 AS 1379/10).
3. Bei der Ermittlung des zu berücksichtigenden Altvermögens sind solche Gegenstände außer Betracht zu lassen, die gemäß § 811 ZPO von einer Pfändung ausgenommen sind.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 1. Oktober 2015 wird abgeändert und der Bescheid vom 15. November 2011 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 30. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. August 2013 wird aufgehoben, soweit damit eine Erstattungsforderung gegen die Klägerin geltend gemacht wird. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin 3/4 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid.
Die am ...1997 geborene Klägerin bezog als Teil einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter und deren Partner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II). Der Beklagte hatte ihnen zuletzt mit Bescheid vom 12. Mai 2011, geändert durch Bescheid vom 17. August 2011, Leistungen für die Zeit von Juni bis November 2011 bewilligt. Für August 2011 gewährte er der Klägerin Sozialgeld in Höhe 331,12 EUR, für September, Oktober und November 2011 jeweils in Höhe von 261,12 EUR. Dem lagen folgende Bedarfe zugrunde: 287 EUR pro Monat als Regelbedarf; 158,12 EUR pro Monat für Kosten der Unterkunft und Heizung (ein Drittel der tatsächlich anfallenden Kosten der Bedarfsgemeinschaft); für August 2011 außerdem 70 EUR als persönlicher Schulbedarf. Als Einkommen der Klägerin berücksichtigte der Beklagte das für sie geleistete Kindergeld in Höhe von 184 EUR pro Monat.
Am 30. August 2011 verpflichtete sich der Vater der Klägerin, der nicht Teil der Bedarfsgemeinschaft war, gegenüber dem Jugendamt, seiner Tochter rückwirkend ab 1. Juli 2011 Unterhaltsleistungen in Höhe von 100 EUR pro Monat zu zahlen. Die ersten beiden Zahlungen (für Juli und August 2011) leistete er am 31. August 2011.
Daraufhin erließ der Beklagte unter dem 15. November 2011 einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid. Dieser war adressiert an die Mutter der Klägerin. In dem Bescheid hieß es: "[D]ie Entscheidung vom 17. August 2011 über die Bewilligung von Leistungen [ ] wird vom 1. Juli 2011 bis 30. November 2011 für Ihr Kind [ ] teilweise in Höhe von 500,00 Euro aufgehoben [ ]. Die unten stehenden Beträge sind deshalb von Ihnen zu erstatten (§ 50 SGB X)." Es folgte eine Aufstellung, wonach für Juli bis November 2011 jeweils 100 EUR pro Monat zu erstatten seien. Weiter wurde ausgeführt: "Dieser Bescheid ergeht an Sie als gesetzlichen Vertreter Ihres Kindes." An anderer Stelle hieß es: "Die gegen Ihre Tochter bestehende Erstattungsforderung wird unter Berücksichtigung der o.g. Rechtsvorschrift in monatlichen Raten in Höhe von 28,70 Euro gegen die Ihrer Tochter zustehenden laufenden Leistungen ab Januar 2011 aufgerechnet. Sie brauchen den o.g. Betrag also nicht zu überweisen." Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 16. Dezember 2011 Widerspruch.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens änderte der Beklagte mit Bescheid vom 30. Mai 2013 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid dahingehend ab, dass lediglich die Bewilligung für die Zeit von August bis November 2011 teilweise aufgehoben und dementsprechend nur eine Erstattungsforderung von insgesamt 400 EUR (jeweils 100 EUR für die Monate August bis November 2011) geltend gemacht wurde. Im Übrigen wies er den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. August 2013 als unbegründet zurück.
Zur Begründung ihrer dagegen vor dem Sozialgericht erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht: Sie sei vor Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids nicht angehört worden. Außerdem sei der Bescheid zu u...