Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschädigtenversorgung. Bildung des Gesamt-GdB bei voneinander unabhängigen Funktionsbeeinträchtigungen
Orientierungssatz
Zur Bildung des Gesamt-GdB, wenn die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen voneinander unabhängig sind und ganz verschiedene Bereiche im täglichen Lebensablauf betreffen (hier: Hörschädigung und chronisch-rezidivierender Harnwegsinfekt).
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger begehrt Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Streitig sind das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und die Rechtmäßigkeit der Anerkennung einer Schädigungsfolge.
Der 1922 geborene Kläger wurde als Soldat 1943 in Afrika eingesetzt, geriet dort im gleichen Jahr in Kriegsgefangenschaft und wurde in die USA gebracht. 1946 wurde er entlassen und kehrte nach Deutschland zurück. 1977 wurde er invalidisiert.
Im Juli 1991 beantragte er Beschädigtenversorgung nach dem BVG. Er machte als Körperschäden ein Nieren- und Harnwegsleiden geltend, das die Folge einer in Afrika durchgemachten Malaria tropica sei, und eine beidseitige Hörschädigung, die er auf eine Bombendetonation bei dem dortigen Einsatz zurückführte.
Aus den vom Beklagten beigezogenen ärztlichen Unterlagen ergab sich, daß der Kläger bereits 1936 wegen einer chronischen Mittelohrentzündung am rechten Ohr operiert worden war. Die Hausärztin des Klägers, die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. P, teilte in einem Gutachten vom Mai 1992 unter anderem mit, seit mehreren Jahren bestehe eine rezidivierende Pyelonephritis. Nach Einholung eines versorgungsärztlichen Gutachtens der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. T erließ der Beklagte einen am 9. Oktober 1992 abgesandten Vorbehaltsbescheid, in dem er zum einen die folgenden beiden Schädigungsfolgen schädigender Ereignisse im Sinne von § 1 BVG anerkannte:
-- chronisch-rezidivierender Harnwegsinfekt
-- Hörminderung rechts nach chronischer Mittelohrentzündung und Explosionstrauma (im Sinne der Verschlimmerung).
Mit der Begründung, diese Schädigungsfolgen bedingten keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 25% wurde zum anderen die Gewährung einer Rente abgelehnt. Der Vorbehalt betraf die noch fehlenden Nachweise zu den vom Kläger angegebenen schädigenden Ereignissen.
Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch beanstandete der Kläger, daß die anerkannten Schädigungsfolgen nicht auch eine Hörminderung auf dem linken Ohr und völlige Ertaubung des rechten Ohrs sowie Lähmungserscheinungen beider Beine und die Malaria umfaßten.
Nach Beiziehung von Krankenpapieren aus der Zeit der Kriegsgefangenschaft des Klägers in den USA hielt der Beklagte mit endgültigem Bescheid vom 24. März 1993 an den Regelungen des Vorbehaltsbescheids fest. Ergänzend wird ausgeführt, die mit dem Widerspruch geltend gemachten Gesundheitsstörungen seien nicht durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG entstanden oder verschlimmert worden. Hiergegen wendete sich der Kläger mit einem weiteren Widerspruchsschreiben.
Der vom Beklagten beauftragte Internist Prof. Dr. D bestätigte in seiner ärztlichen Stellungnahme vom 27. Februar 1994 die Richtigkeit des angefochtenen Bescheids. Unter anderem sah er die Annahme einer Erkrankung des Klägers an einer chronischen Infektion der Nierenbecken und ableitenden Harnwege während des Krieges und der Gefangenschaft durch eine Urinanalyse in den Krankenpapieren aus den USA bestätigt. Er hielt die Festsetzung einer MdE von nur 10% für den chronischen Harnwegsinfekt, der auch für die spätere Zeit bestätigt sei, für angemessen, weil eine Nierenfunktionsstörung nicht erweisbar sei. Vom Kläger angegebene leichte Fieberschübe in größeren Zeitabständen seien zwar wohl auf die bestehende Infektion im Nierenhohlraumsystem zurückzuführen, erforderten aber keine klinische Behandlung.
Daraufhin wies der Beklagte die Widersprüche mit Bescheid vom 31. März 1994 zurück. Die Gesamtbeeinträchtigung durch die anerkannten Schädigungsfolgen sei mit einer nichtrentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit von 15% zu bewerten. Der chronisch-rezidivierende Harnwegsinfekt aufgrund einer nicht nachweisbaren Nierenfunktionsstörung und der nur in größeren Zeitabständen auftretenden Fieberschübe bedinge eine Einzel-MdE von 10% und die einer Taubheit entsprechende Hörminderung rechts eine Einzel-MdE von 15%. Bei der Ermittlung der Gesamt-MdE dürften die einzelnen MdE-Werte nicht addiert werden. Durch eine Gesundheitsstörung mit einem MdE-Grad von nur 10% erhöhe sich in der Regel nicht die Gesamt-MdE. Die geltend gemachten weiteren Gesundheitsstörungen seien nicht als Schädigungsfolgen anzuerkennen.
Hiergegen hat der Kläger am 22. April 1994 beim Sozialgericht Magdeburg Klage erheben lassen. In der mündlichen Verhandlung vom 29. August 1996 hat sein Prozeßbevollmächtigter neben der Abänderung der angefochtenen Bescheide beantragt, den Beklagten zu verurteilen, als ...