Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. Festlegung von Vergleichsräumen innerhalb des Landkreises Harz. Datenerhebung. Clusteranalyse. Fortschreibung des Konzepts. Ermittlung der angemessenen Heizkosten
Leitsatz (amtlich)
1. Der Landkreis Harz (Fläche 2.104 km²) ist als Gebietskörperschaft kein einheitlicher "Vergleichsraum", denn seine kreisangehörigen Gemeinden weisen erhebliche strukturelle Unterschiede auf, die sich bei einer bewertenden Betrachtung von Topografie, Siedlungsdichte und Infrastruktur ergeben. Er besteht ausgehend von den Wohnorten aus 14 Vergleichsräumen, zumeist in Form der politischen Gemeinden. Diese verfügen über jeweils eigene Wohnungsmärkte (vgl LSG Halle (Saale) vom 11.5.2017 - L 5 AS 547/16).
2. Die Bestimmung des Vergleichsraums ist nicht im Rahmen der Methodenfreiheit allein der Behörde vorbehalten und insbesondere nicht der gerichtlichen Überprüfung entzogen.
3. Die durchgeführte Mietwerterhebung für den gesamten Landkreis Harz genügt unter Berücksichtigung der Methodenfreiheit den Anforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept für die Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft (Bruttokaltmiete). Insbesondere erfolgte die Mietdatenerhebung in allen vom Senat festgestellten Vergleichsräumen. Umfang sowie Art und Weise der Datenerhebung sind im Rahmen der Methodenfreiheit nicht zu bemängeln. Es ist auch zulässig, dass im Rahmen der Datenauswertung durch die sog "Clusteranalyse" einzelne Vergleichsräume zu Wohnungsmarkttypen zusammen gefasst worden sind. Dabei handelt es sich um eine statistisch anerkannte Methode mit dem Zweck, die Datenbasis zu verbreitern. Die dafür gewählten Kriterien sind schlüssig.
4. Die Fortschreibung des Konzepts ist nach zwei Jahren ab Veröffentlichung der Richtlinie der Behörde vorzunehmen, wenn dies im zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung der Datenerhebung und -auswertung geschieht. Die Vorgehensweise, eine Überprüfung und Neufestsetzung der Unterkunftskosten anhand der Entwicklung der Wohnungsmieten und Wohnungsnebenkosten im Land Sachsen-Anhalt vorzunehmen, ist im Rahmen der Methodenfreiheit nicht zu beanstanden. Das gleiche gilt für den Vergleich der Indexentwicklung vom Stichtag der Datenerhebung an bis zum Ablauf der Zweijahresfrist nach Inkrafttreten der Richtlinie.
5. Die Ermittlung der angemessenen Heizkosten anhand der Vorauszahlungsbeträge für Heiz- und Warmwasserkosten im Rahmen der Mietwerterhebung plus Sicherheitszuschlag genügt nicht den Anforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept. Insoweit ist auf die Tabellenwerte des Bundesweiten Heizspiegels abzustellen, der im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung veröffentlicht war. Die dort enthaltenen ?-Beträge sind mit der angemessenen Wohnfläche zu multiplizieren. Bei dezentraler Beheizung der Unterkunft ist ein Abzug entsprechend den Vorgaben des Bundesweiten Heizspiegels vorzunehmen. Zudem ist der Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung beim Bedarf zu berücksichtigen.
6. Zu den Heizkosten gehören die Stromkosten für die dezentrale Heizungsanlage. Soweit keine Nachweise über den Stromverbrauch vorliegen, ist dieser mit 5 % der angemessenen Heizkosten zu schätzen.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. Februar 2017 und die Bescheide des Beklagten vom 21. Januar 2013 und vom 30. Januar 2014, beide in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 2. April 2014 und der Widerspruchsbescheide vom 28. April 2014 werden abgeändert und der Beklagte verurteilt, den Klägerinnen für März bis August 2013 weitere 10,82 EUR/Monat und für März bis Juli 2014 weitere 11,11 EUR/Monat sowie für August 2014 weitere 18,91 EUR zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen für beide Rechtszüge zu 10 % zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerinnen begehren für die Zeiträume von März bis August 2013 sowie von März bis August 2014 höhere Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) in Form weiterer Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH).
Die am ... 1963 geborene Klägerin zu 1) bewohnte mit ihrer am ... 1996 geborenen Tochter, der Klägerin zu 2), ab dem 1. Juni 2012 eine 99 qm große Drei-Zimmer-Wohnung in Blankenburg. Die Gesamtgröße des Hauses betrug 803,1 qm. Mietvertraglich vereinbart waren eine monatliche Grundmiete von 370 EUR sowie Vorauszahlungen für Betriebskosten i.H.v. 100 EUR. Die Grundmiete erhöhte sich ab 1. Juli 2013 auf monatlich 380 EUR und ab 1. Juli 2014 auf 390 EUR. Die Beheizung erfolgte mit Erdgas und die Warmwasserbereitung durch Durchlauferhitzer mit Strom. Die Klägerinnen hatten für Erdgas monatlich einen Abschlag i.H.v. 121 EUR für den Zeitraum von März bis August 2013 EUR und i.H.v. 137 EUR für den Zeitraum von März bi...