Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Unfallrente auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Rückwirkende Anwendung der Ergänzung des § 93 Abs 5 SGB 6 durch das WFG. echte Rückwirkung. Verfassungsmäßigkeit. Vorlage an BVerfG

 

Orientierungssatz

1. Nach Art 12 Abs 8 WFG kommt der Ergänzung des § 93 Abs 5 SGB 6 durch Art 1 Nr 17 WFG eine echte Rückwirkung zu, denn durch das angeordnete Inkrafttreten bereits zum 1.1.1992 werden Rechtsfolgen für Zeiträume vor Verkündung des Gesetzes angeordnet (Anschluß an BSG vom 28.5.1997 - 8 RKn 9/95 und 8 RKn 27/95).

2. Die Entscheidung des BVerfG wird daher zu der Frage eingeholt, ob Art 12 Abs 8 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) vom 25.9.1996 (BGBl I 1996, 1461) insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößt, als er Art 1 Nr 17 des Gesetzes für einen Zeitpunkt vor dem endgültigen Gesetzesbeschluß am 9.7.1996 in Kraft setzt.

 

Gründe

I. Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Rücknahme der Bewilligung einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen der Gewährung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der 1929 geborene Kläger war bis zum 31. Januar 1989 als Bergmann bei der Kupferhütte I. beschäftigt. Ab dem 1. Februar 1989 gab der Kläger seine Berufstätigkeit auf und bezog eine Bergmannsaltersrente aus der Sozialpflichtversicherung der damaligen DDR. Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 27. November 1991 eine Umwertung und Anpassung der Rente vor und bewilligte ab dem 1. Januar 1992 eine Altersrente nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI).

Durch eine HNO-fachärztliche Untersuchung wurde beim Kläger das Bestehen einer auf berufsbedingte Lärmbelastungen zurückzuführenden Schwerhörigkeit ab November 1991 festgestellt. Die Maschinenbau- und Metallberufsgenossenschaft erkannte mit Bescheid vom 15. November 1994 das Bestehen einer mittelgradigen Schwerhörigkeit bei dem Kläger als Folge einer Berufskrankheit nach der Ziffer 50 der Liste der Berufskrankheiten vom 21. April 1981 (GBl. der DDR I S. 139) i. V. m. § 8 der Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26. Februar 1981 (GBl. I S. 137) an und bewilligte rückwirkend ab dem 1. November 1991 eine Verletztenrente als Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vom Hundert. Als Beginn der Minderung der Erwerbsfähigkeit wurde der 15. November 1991 festgestellt. Für den Zeitraum vom 1. November 1991 bis zum 31. Dezember 1994 wurde ein Nachzahlungsbetrag von 10854,36 DM errechnet; die laufende Rente ab dem 1. Januar 1995 wurde auf 352,66 DM monatlich festgesetzt. Dem Kläger teilte die Berufsgenossenschaft mit, der Nachzahlungsbetrag werde im Hinblick auf einen eventuellen Erstattungsanspruch der Beklagten vorerst einbehalten. Die Beklagte erhielt eine Durchschrift des Bewilligungsbescheides.

In einem Anhörungsschreiben vom 25. Januar 1995 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, daß die Zahlung der Verletztenrente eine Neuberechnung der Altersrente unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 93 SGB VI erforderlich mache, die zu einer Minderung der Rente führen könne; als Folge könnte die Rente ab dem 1. Januar 1992 nicht mehr in der bisherigen Höhe zustehen.

Mit Bescheid vom 31. Januar 1995 nahm die Beklagte für den Zeitraum ab dem 1. Januar 1992 eine Neufestsetzung der Altersrente, verbunden mit einer teilweisen Aufhebung der bisher maßgeblichen Rentenbewilligung nach § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren (SGB X) und einer teilweisen Rückforderung nach § 50 Abs. 1 SGB X, vor. Für die Zeit ab dem 1. Januar 1992 wurde jeweils auf den Monat bezogen ermittelt, inwieweit die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen des Zusammentreffens mit der Verletztenrente aus der Unfallversicherung nach § 93 Abs. 1 bis 3 SGB VI nicht zu leisten war. Es wurde zunächst die nach § 93 Abs. 2 SGB VI zu berücksichtigende Rentensumme ermittelt, indem die um 15 vom Hundert des Leistungsanteils der knappschaftlichen Rentenversicherung geminderte Altersrente von 906,46 DM (991,44 DM abzüglich 84,98 DM) mit der um den bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz zu zahlenden Betrag geminderten Unfallrente von 126,47 DM (234,47 DM - 108,00 DM) addiert wurde. Der nach § 93 Abs. 3 SGB VI maßgebliche Grenzbetrag wurde ermittelt, indem der Grenzbetrag gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 SGB VI in Höhe von 70 vom Hundert eines Zwölftels des Jahresarbeitsverdienstes, der bei der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zugrunde liegt (beim Kläger ab dem 1. Januar 1992 14.067,90 DM), vervielfacht mit dem für die Altersrente maßgeblichen Rentenartfaktor 1, von 820,63 DM mit dem nach § 93 Abs. 3 Satz 2 SGB VI mindestens als Grenzbetrag zu berücksichtigenden Betrag der...

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