1. Allgemeines
Rz. 66
Wie in vielen Rechtsordnungen des romanischen Rechtskreises sind entsprechend des dem Erbrecht zugrunde liegenden Rechtsgedankens, den Nachlass der Familie möglichst ungeschmälert zukommen zu lassen, testamentarische Verfügungen weit weniger als nach deutschem Recht zulässig. Letztwillige Verfügungen dürfen insbesondere das Noterbrecht der Verwandten nicht außer Acht lassen (siehe Rdn 99 ff.). Geläufige testamentarische Anordnungen und Gestaltungen entsprechen vielfach denen des französischen Rechts.
2. Erbeinsetzung
Rz. 67
Erbeinsetzungen im eigentlichen Sinne, wie diese dem deutschen Erbrecht bekannt sind, sind nach luxemburgischem Recht unbekannt und unzulässig. Als Erben (héritiers) versteht das luxemburgische Recht nur die gesetzlichen Erben. Dennoch kennt auch das luxemburgische Recht die Testierfreiheit und die Möglichkeit zu testieren, wenngleich nicht im gleichen Maße wie im deutschen Recht. Will der Erblasser eine Person begünstigen, muss er dieser ein Vermächtnis aussetzen; das gilt auch, wenn die Begünstigung den gesamten oder einen Großteil des Nachlasses ausmacht, Art. 1002 Cciv.
Rz. 68
Zu berücksichtigen sind außerdem bestehende Noterbrechte. Anders als im deutschen Recht sind diese als echte erbrechtliche Beteiligung, nicht nur als bloße Geldforderung ausgestaltet, die der testatorischen Verfügungsmöglichkeit entzogen bleibt. Der Erblasser kann lediglich über die sog. verfügbare Quote (quotité disponible), d.h. denjenigen Teil des Nachlasses, der nicht durch Noterbrechte gebunden ist, verfügen (siehe Rdn 99 ff.).
Rz. 69
Der Wille des Erblassers muss sich aus dem Testament ergeben, die tatsächliche Bezeichnung durch den Erblasser ist dagegen unerheblich, sofern sein tatsächlicher Wille feststellbar ist, Art. 967 Cciv.
3. Vermächtnis
Rz. 70
Jede Zuwendung des Erblassers durch letztwillige Verfügung erfolgt durch Vermächtnis (legs). Unterschieden wird zwischen dem
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Universal- oder Erbvermächtnis, |
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Erbteilvermächtnis und |
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Erbstückvermächtnis. |
Rz. 71
Das Universalvermächtnis (legs universel) entspricht am ehesten der deutschen Erbeinsetzung und ist diejenige testamentarische Verfügung, durch die der Erblasser einer oder mehreren Personen sein gesamtes Vermögen hinterlässt, Art. 1003 ff. Cciv. Sind noterbberechtigte Personen vorhanden, steht das Vermächtnis unter dem Vorbehalt der Herabsetzung durch die Noterbberechtigten, soweit es nicht nur die verfügbare Quote umfasst, ansonsten bezieht es sich auf den gesamten Nachlass des Erblassers. Daneben können freilich noch andere letztwillige Verfügungen getroffen werden, bspw. Aussetzung von Erbstückvermächtnissen zugunsten Dritter. Der oder die eingesetzten Vermächtnisnehmer erhalten automatisch den Besitz (saisine), wenn es keine Noterbberechtigten gibt und die Einsetzung aus einem notariellen Testament hervorgeht, Art. 1006 Cciv; anderenfalls müssen sie von Letzteren die Auslieferung verlangen, Art. 1004 Cciv (siehe aber auch Rdn 130). Das Nutznießungsrecht des Vermächtnisnehmers besteht aber unabhängig von der Aushändigung, Art. 1005 Cciv.
Rz. 72
Mittels des Erbteilvermächtnisses (legs à titre universel) verfügt der Erblasser über eine Quote des Nachlasses. Im Einzelnen sind möglich Verfügungen über
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eine Quote seines (verfügbaren) Vermögens, z.B. ein Drittel; |
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das gesamte Grundvermögen; |
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das gesamte Mobiliarvermögen; |
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eine bestimmte Quote seines Immobiliarvermögens; oder |
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eine bestimmte Quote seines Mobiliarvermögens. |
Rz. 73
Die Aufzählung des Art. 1010 Cciv ist abschließend. Die Rechtsprechung hat den Anwendungsbereich des Erbteilvermächtnisses aber noch auf die Verfügung über eine Quote des nackten Eigentums sowie des gesamten bzw. einer Quote des Erbnießbrauchs ausgedehnt. Anders als der Universalvermächtnisnehmer muss der Erbteilsvermächtnisnehmer immer die Aushändigung der ihm zugewandten Gegenstände verlangen, auch wenn das Eigentum ipso iure am Sterbetag des Erblassers übergeht, Art. 1011 Cciv. Die Schuldenhaftung übernimmt er nach Maßgabe von Art. 1012 Cciv.
Rz. 74
Wie der Name bereits erahnen lässt, bezieht sich das Erbstückvermächtnis (legs particulier) nicht auf den Nachlass als solchen oder bestimmte Quoten hiervon, sondern einzelne Nachlassgegenstände und ist damit mit dem Vermächtnis nach deutschem Recht vergleichbar, Art. 1014 ff. Cciv. Das Recht an der vermachten Sache steht dem Vermächtnisnehmer mit dem Todestag des Erblassers zu (sog. Vindikationslegat), jedoch muss er die Aushändigung des Besitzes verlangen.
4. Vor- und Nacherbfolge
Rz. 75
Die Einsetzung von Nacherben oder Nachvermächtnisnehmern (substitution) ist als Verstoß gegen den Grundsatz der Testierfreiheit des Erblassers verboten und macht das Testament nichtig. Nacherbfolge in diesem Sinne ist jede Verfügung, durch die einem eingesetzten Erben oder Vermächtnisnehmer auferlegt wird, etwas für einen Dritten zu erhalten und an ihn herauszugeben, Art. 896 Cciv. ...