1. Erbengemeinschaft
Rz. 125
Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, entsteht mit dem Erbfall automatisch eine sog. ungeteilte Erbengemeinschaft (indivision ordinaire), die bis zur Teilung des Nachlasses bestehen bleibt. Die Verwaltung obliegt den Erben gemeinschaftlich, notwendig ist grundsätzlich die Zustimmung aller Miterben.
Rz. 126
Kein Miterbe kann über den Nachlass als solchen oder einzelne Gegenstände ohne Zustimmung aller anderen verfügen; freie Verfügbarkeit besteht für den einzelnen Miterben lediglich über seinen Erbanteil.
Rz. 127
Jeder Erbe hat das Recht, sofortige Teilung des Nachlasses zu beantragen, niemand kann gezwungen werden, die Gemeinschaft aufrechtzuerhalten, Art. 815 Cciv. Sondervorschriften gelten seit der Gesetzesreform vom 8.4.1993 für landwirtschaftliche Betriebe, Art. 815–1 ff. Cciv.
Rz. 128
Gläubiger einzelner Erben können erst mit Teilung Zugriff auf den Nachlass nehmen. Die Zwangsvollstreckung in den ungeteilten Nachlass ist nicht möglich.
2. Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 129
Der Nachlass geht durch die Wirkung der Eröffnung der Erbschaft im Wege der Universalsukzession mit allen Aktiva und Passiva auf die Erben über, es wird nicht zwischen einzelnen Vermögenswerten oder Mobilien/Immobilien unterschieden, Art. 724 Cciv.
Rz. 130
Eine Besitzeinweisung in den Erbschaftsbesitz (saisine) ist nur ausnahmsweise notwendig. Die gesetzlichen Erben erhalten mit dem automatischen Eigentumsübergang auch notwendig ipso iure den Erbschaftsbesitz, ohne dass es weiterer Förmlichkeiten bedarf (le mort saisit le vif), und können den tatsächlichen Besitz (possession) sofort übernehmen, Art. 724 Abs. 2 Cciv. Gleiches gilt bei gewillkürter Erbfolge, wenn Pflichterben vorhanden sind, für diese. Die Vermächtnisnehmer müssen sich dann in den Besitz einweisen lassen. Sind keine Pflichterben vorhanden, erhält der Universalvermächtnisnehmer den automatischen Erbschaftsbesitz nur dann, wenn seine Einsetzung aus einem notariellen Testament hervorgeht.
Rz. 131
Der Staat muss sich in den Besitz einweisen lassen, Art. 724 Abs. 4 Cciv.
Rz. 132
Voraussetzung des Übergangs des Nachlasses ist die Annahme der Erbschaft durch den Erben. Der Erbe ist dazu nicht verpflichtet, Art. 775 Cciv. Vielmehr stehen ihm drei Möglichkeiten offen:
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die vorbehaltslose Annahme der Erbschaft, Art. 774 ff. Cciv; |
▪ |
die Ausschlagung, Art. 784 ff. Cciv; oder |
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die Annahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung, Art. 793 ff. Cciv. |
Rz. 133
Die Annahme der Erbschaft ohne Vorbehalt kann ausdrücklich oder stillschweigend sein. Ersteres ist der Fall, wenn in einer (öffentlichen oder privaten) Urkunde die Bezeichnung bzw. Eigenschaft eines Erben angenommen wurde, die stillschweigende Annahme erfolgt durch entsprechende Handlungen des Erben, die die Annahme der Erbschaft notwendig voraussetzen und nur den Erben zum Handeln berechtigen, Art. 778 Cciv. Hierzu gehört auch die Bezahlung von Nachlassverbindlichkeiten, außer es handelt sich um dringliche Schulden sowie die Schenkung oder Veräußerung von Erbrechten, Art. 780 Cciv. Die Abgabe der Erbschaftsteuererklärung impliziert als gesetzliche Pflicht dagegen keine stillschweigende Annahme. Das Gleiche gilt für ausschließlich auf Erhaltung gerichtete, der Aufsicht oder der vorläufigen Verwaltung dienende Handlungen, Art. 779 Cciv. Für Minderjährige gelten Sondervorschriften, Art. 776 Abs. 2 Cciv. Die Annahme wirkt auf den Tag der Eröffnung der Erbfolge (= Tod des Erblassers) zurück, Art. 777 Cciv.
Rz. 134
Verstirbt ein Erbe nach Eintritt des Erbfalls, ohne vorher angenommen oder ausgeschlagen zu haben, steht dieses Recht seinen Erben zu, Art. 781 Cciv. Das Recht der Annahme oder Ausschlagung verjährt nach 30 Jahren, Art. 789 Cciv. Wurde bis zu diesem Zeitpunkt keine Entscheidung getroffen oder von allen Erben ausgeschlagen, gilt der Nachlass als erbenlos und fällt dem Staat zu, Art. 811 Cciv.
Rz. 135
Die Ausschlagung wird vor dem Gericht, bei dem die Erbschaft eröffnet wurde, zur Eintragung in das dort geführte Register erklärt, Art. 784 Cciv. Frühestmöglicher Zeitpunkt ist der Tod des Erblassers. Der vorherige Verzicht zu Lebzeiten auf die Erbschaft ist unzulässig, Art. 791 Cciv. Der ausschlagende Erbe wird so angesehen, als wäre er nie Erbe gewesen. Sein Anteil wächst den Miterben zu, bei Alleinerbschaft fällt das Erbe dem nächstberufenen Grad zu, Art. 785 ff. Cciv. Der ausschlagende Erbe kann innerhalb der dreißigjährigen Verjährungsfrist die Erbschaft solange wieder annehmen, d.h. seine Ausschlagung widerrufen oder anfechten, als sie noch kein anderer Erbe angenommen hat, Art. 790 Cciv. Bei vorsätzlicher Nachlasshinterziehung gilt das Ausschlagungsrecht als verwirkt, Art. 792 Cciv.
Rz. 136
Als dritte Möglichkeit bleibt dem Erben die Annahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung, Art. 774, 793 ff. Cciv. Der Annehmende wird Erbe, verhindert aber die Vermis...