Robert Kayser, Monique Watgen
1. Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft, gemeinsamer Wohnsitz
Rz. 23
Art. 215 CC bestimmt, dass die Eheleute gehalten sind, zusammenzuwohnen. Beide müssen sich also auf einen gemeinsamen Wohnsitz einigen. Gelingt dies nicht, so kann der Familienrichter über diesen Wohnsitz entscheiden, nachdem er die Beweggründe jedes Ehegatten angehört hat. Eine Gerichtsentscheidung kommt in der Praxis jedoch kaum vor. Die richterliche Befugnis allein trägt dazu bei, dass Eheleute in dieser Frage ohne Gerichtsentscheidung zu einer Einigung gelangen. Die eheliche Lebensgemeinschaft erschöpft sich nicht in der Wahl eines gemeinsamen Wohnsitzes, sondern Art. 212 CC bestimmt außerdem, dass die Eheleute sich gegenseitig Unterstützung und Beistand, in finanzieller wie auch in moralischer Hinsicht, schulden und zur Treue verpflichtet sind. Das Gesetz enthält keine näheren Angaben zur Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Die Eheleute haben also weitgehende Freiheit in dieser Hinsicht. Die Ausrichtung der ehelichen Lebensgemeinschaft hängt vor allem von den finanziellen, intellektuellen und moralischen Umständen der Eheleute ab.
Rz. 24
Die Wahrung oder die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft kann i.d.R. nicht gerichtlich eingeklagt werden. Etwas anderes gilt für die finanziellen Aspekte des ehelichen Zusammenlebens (vgl. Rdn 28). Wenn die Ehegemeinschaft endgültig zerrüttet ist, so berechtigt diese Tatsache dazu, dass einer der Ehegatten oder beide gemeinsam die Scheidung einreichen. Das luxemburgische Scheidungsrecht kennt für Scheidungsverfahren, welche nach dem 1.11.2018 eingereicht wurden, nicht mehr das Schuldprinzip als Grund für eine Scheidungsklage.
2. Schlüsselgewalt
Rz. 25
Art. 220 CC bestimmt, dass jeder Ehegatte eigenständig alle Rechtsgeschäfte vornehmen kann, welche sich auf die Finanzierung des Haushalts oder die Erziehung der gemeinsamen Kinder beziehen. Die in diesem Rahmen abgeschlossenen Verträge verpflichten in solidarischer Weise den anderen Ehepartner. Diese solidarische Haftung besteht indessen nicht, wenn die einseitig geschlossenen Verträge den finanziellen Rahmen des Haushalts übersteigen oder wenn es sich um den Erwerb von Luxusgütern handelt. Der Rahmen der erlaubten Rechtsgeschäfte steht in Zusammenhang mit dem Lebensstandard der Familie. Die Gerichte berücksichtigen bei diesen Rechtsgeschäften auch die Kenntnisse, welche der Geschäftspartner eines Ehegatten von der Familiensituation hat, oder die Tatsache, dass er bei Abschluss eines solchen Vertrages in gutem Glauben gehandelt hat. Von der Schlüsselgewalt sind alle Kreditgeschäfte ausgeschlossen. Diese erfordern die Zustimmung beider Ehepartner. Bei der Trennung der Ehegatten erlischt die Schlüsselgewalt nicht automatisch. Sie bleibt so lange bestehen, bis ein Ehepartner beim zuständigen Familienrichter eine einstweilige Verfügung erwirkt hat, welche ihm das Recht auf einen getrennten Wohnsitz einräumt.
3. Eigentumsvermutung
Rz. 26
Das luxemburgische Güterrecht kennt keine allgemeine gesetzliche Eigentumsvermutung zugunsten der Gläubiger. Für das Immobiliarvermögen ist eine solche Klausel nicht nötig, da aus der betreffenden Urkunde hervorgeht, welcher Ehegatte Eigentümer der Immobilie ist. Das Mobiliarvermögen ist meistens gemeinsames Vermögen. Um diesen Charakter noch zu verstärken, legt Art. 1402 CC eine Gemeinschaftsvermutung fest. Danach gilt jedes Mobiliargut als der Gütergemeinschaft zugehörig, wenn nicht ein Ehegatte aufgrund gesetzlich festgelegter Kriterien nachweisen kann, dass das betreffende Gut sein alleiniges Eigentum ist.