Das Wichtigste in Kürze:

1. Schreiben Verfahrensbeteiligte, insbesondere der Angeklagte oder der Verteidiger/Zeugenbeistand, aber auch Zuhörer/Journalisten in der HV mit, kann der Vorsitzende das grds. nicht unter Berufung auf seine sitzungspolizeilichen Befugnisse (§ 176 GVG) untersagen.
2. Zunehmend stellt sich die Frage, ob die Verwendung eines Notebooks/eines Laptops in der HV gestattet bzw. zulässig ist. Das ist eine Frage des Einzelfalls.
3. Eine Ausnahme gilt, wenn das Mitschreiben bzw. die Nutzung des Notebooks den Ablauf der Sitzung stört.
 

Rdn 2222

 

Literaturhinweise:

Mehle/Linz, Mitschrift einer Zeugenvernehmung durch den Zeugenbeistand, NJW 2014, 1160

Rühlmann, Der "polizeiliche Prozeßbeobachter" in Umfangsverfahren – Rechtsöffentlichkeit im Sinne von § 169 GVG, StV 2005, 692

Schlüter, Zur Beschränkung der Presse und Medienfreiheit durch sitzungspolizeiliche Anordnungen nach § 176 GVG, AfP 2009, 557

Schneider, Verletzung der Öffentlichkeit durch Bitte an einen Zuhörer, den Sitzungssaal zu verlassen?, StV 1990, 92

Strassburg, Der Prozeßbeobachter im Strafprozeß, MDR 1977, 712.

 

Rdn 2223

1. Schreiben Verfahrensbeteiligte, insbesondere der Angeklagte oder der Verteidiger/Zeugenbeistand, aber auch Zuhörer/Journalisten (!) in der HV mit, kann der Vorsitzende das grds. nicht unter Berufung auf seine sitzungspolizeilichen Befugnisse (§ 176 GVG; → Sitzungspolizei, Teil S Rdn 2939) untersagen oder den Mitschreibenden sogar aus dem Saal weisen (BGHSt 18, 179; BGH NStZ 1982, 389; vgl. Kissel/­Mayer, § 176 Rn 25 und § 169 Rn 64; zum Zeugenbeistand Mehle/Linz NJW 2014, 1160). Das gilt vor allem, wenn der Angeklagte sich vom Ablauf der Verhandlung oder von Zeugenaussagen Aufzeichnungen macht, solange dieses angemessenes Mittel zur Verteidigung bleibt (a.A. BGHSt 1, 322; krit. LR-­Becker, § 238 Rn 9).

 

☆ Etwas anderes gilt, wenn der Angeklagte während der HV in ein mitgeführtes Diktatgerät diktieren will. Das wird i.d.R. die HV stören (s. Teil M Rdn  2226 ).Diktatgerät diktieren will. Das wird i.d.R. die HV stören (s. Teil M Rdn 2226).

Den Mitgliedern des Gerichts ist das Mitschreiben erlaubt. Die Anfertigung von Mitschriften obliegt aber allein den Mitgliedern des erkennenden Gerichts und kann nicht auf Dritte delegiert werden (BGH NStZ 2012, 404).

 

Rdn 2224

2. Zunehmend stellt sich die Frage, ob die Verwendung eines Notebooks/eines Laptops in der HV gestattet bzw. zulässig ist. Das gilt nicht nur für Verteidiger, die ggf. ihre Mitschriften von Zeugenaussagen auf einem Notebook schreiben, sondern auch für Zuhörer/Journalisten, die an der HV teilnehmen und darüber berichten wollen. M.E. wird man die Frage nicht generell entscheiden können, sondern auf den Einzelfall abstellen müssen.

Insoweit gilt:

 

Rdn 2225

Das BVerfG hat es als zulässig angesehen, wenn Journalisten in der HV untersagt wird, während der HV ein Notebook zu benutzen. Das ist damit begründet worden, dass diese teilweise über Kameras und Mikrofone verfügen, deren – § 169 S. 2 GVG zuwiderlaufende – Verwendung während der mündlichen Verhandlung sich kaum kontrollieren lasse (s. BVerfG NJW 2009, 352; 2014, 3013). Unbestimmte Sicherheitsbedenken hat das BVerfG für die Untersagung allerdings nicht ausreichen lassen. Deshalb wird man m.E. die Benutzung von Notebooks, die über eine Kamera-Mikrofunktion nicht verfügen, nicht generell untersagen können. Entsprechendes gilt, wenn diese Funktionen ggf. deaktiviert sind. Davon, ob dies der Fall ist, muss sich der Vorsitzende ggf. überzeugen.
Noch enger ist die Untersagungsmöglichkeit bei einem Rechtsanwalt/Verteidiger zu sehen. Versichert dieser anwaltlich, dass er mit seinem Laptop/Notebook keinerlei Ton- und Filmaufnahmen fertigen könne, darf ihn das Gericht nicht unter den "Generalverdacht" stellen, dass er einen Laptop zur Aufnahme von Ton- und/oder Filmaufnahmen benutzen werde (LG Cottbus StRR 5/2018, 15 m. Anm. Burhoff [Bußgeldverfahren]; AG Freiberg StRR 2010, 389 m. Anm. Burhoff für das Zivilverfahren). Erforderlich für eine Untersagung ist vielmehr ein konkreter Verdacht des Richters aufgrund eines konkreten festgestellten Sachverhalts (LG Cottbus, a.a.O.). Unbestimmte Sicherheitsbedenken genügen hier erst Recht nicht (LG Cottbus, a.a.O.; AG Freiberg, a.a.O., unter Hinweis darauf, dass in medienwirksamen Verfahren bis zum BVerfG und zum BGH die Benutzung von Notebook/Laptops durch Organe der Rechtspflege üblich sei). Das gilt vor allem auch dann, wenn in der Kanzlei des Verteidigers ausschließlich digitale Akten geführt werden (LG Cottbus, a.a.O.).
 

Rdn 2226

3.a) Eine Ausnahme gilt, wenn das Mitschreiben bzw. die Nutzung des Notebooks den Ablauf der ­Sitzung stört oder der Verteidiger unerlaubte Bild- und Tonaufnahmen macht. Das ist aber nicht schon dann der Fall, wenn das Mitschreiben oder die Nutzung den Vorsitzenden (nur) nervös macht und er meint, dass dadurch seine → Verhandlungsleitung, Teil V Rdn 3407, gestört wird (BGH GA 1963, 102 [Ls.]). Der Vorsitzende wird dem Angeklagten das Mitstenographieren v...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?