Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 638 BGB
Kommentar
Überwacht der Bauunternehmer die Herstellung eines Werkes nur mangelhaft (hier: unsachgemäße Verlegung von Estrich), so kann dies einem arglistigen Verschweigen von Mängeln gleichzusetzen sein; insoweit verletzt der Unternehmer seine Offenbarungspflicht bei Abnahme des Werkes, was zur Folge hat, dass nicht die kurze Verjährung des § 638 Abs. 1 BGB (5 Jahre) gilt, sondern die allgemeine 3-jährige Verjährung zur Anwendung gelangt.
Im vorliegenden Fall hatte ein Unternehmer Estrich mangelhaft verlegt (zum Teil unmittelbar auf dem Untergrund, zum Teil auf einer bzw. zwei Dämmplatten mit der Folge ungleichmäßiger Lastabsenkung bei schwankender und stellenweise entgegen DIN 18560 zu geringer Estrichdicke und nicht fachgerecht verdichtetem Estrichmörtel sowie nicht ordnungsgemäß verlegten Bewehrungsmatten und hohl liegenden Dämmplatten).
Nach der für die Praxis bedeutsamen Entscheidung des Bundesgerichtshofs ( BGH, Entscheidung v. vom 12. 3. 1992, Az.: VII ZR 5/91= NJW 1992, 1754 = ZfBR 4/92, 168); vgl. auch Aufsatz Rutkowsky in ZfBR 5/94, 201ff.) hat ein Unternehmer seinen Betrieb so zu organisieren, dass keine gravierenden, offenkundigen Mängel bei Abnahme entstehen; andernfalls kann es zu einer 3-jährigen Haftung kommen. In hier angesprochener OLG-Entscheidung wird diese Organisationspflicht auch auf die Überwachung des Herstellungsprozesses ausgedehnt. Im entschiedenen Fall seien die vorhandenen Estrichmängel bereits ein ausreichendes Indiz für eine mangelhafte Organisation dieses Herstellungsprozesses. Der Unternehmer müsse i.Ü. darlegen, wie er seinen Betrieb und die Überwachung der Arbeiten organisiert habe. Bei sorgfältigen Stichproben während der Herstellung des Estrich-Gewerkes hätten die vorhandenen Mängel von einem fachkundigen Bauleiter ohne weiteres erkannt werden können.
Link zur Entscheidung
( OLG Köln, Urteil vom 01.07.1994, 11 U 29/94- rechtskräftig)
Zu Gruppe 6: Baurechtliche und bautechnische Fragen; Baumängel
Anmerkung:
In Erweiterung des vorstehend zitierten BGH-Urteils wird durch diese Entscheidung die Offenbarungspflicht eines Unternehmers von erkennbaren Mängeln bei Abnahme auch auf solche ausgedehnt, die nur während der Herstellung offenkundig werden.
Daneben zeigt die Entscheidung Kriterien auf, nach denen in Zukunft eine korrekte oder mangelhafte Organisation eines Unternehmers zu beurteilen sein wird. Danach muss die Arbeit mehrfach und regelmäßig stichprobenartig während der Ausführung durch den Bauleiter überprüft werden. Des Weiteren sollte der jeweils bei den Stichproben vorgefundene Arbeitsstand durch Fotografien und Bautagebuch beweisbar dokumentiert werden. Nicht ausreichend sind nur die ordnungsgemäße Einweisung von Arbeitern und die Überprüfung bereits beendeter Arbeiten vor der Abnahme. Damit scheint sich die Rechtsmeinung zu erhärten, dass bei schwerwiegenden und während der Herstellung offenkundigen Mängeln zunehmend eine 30-jährige Haftung einkalkuliert werden muss.
Unternehmern ist dringend zu empfehlen, ihre Arbeiten strengstens zu überwachen und den Arbeitsablauf auch ausreichend zu dokumentieren.