Leitsatz

Geht ein in der Gliedertaxe benannter Teilbereich eines Glieds durch einen Unfall verloren oder ist das Teilglied wegen eines unfallbedingten Dauerschadens vollständig funktionsunfähig, steht der Invaliditätsgrad nach der Gliedertaxe unverrückbar fest. Die Ausstrahlungen des Teilverlustes oder der Teilgliedfunktionsunfähigkeit auf das Restglied sind bei dem für das Teilglied bestimmten Invaliditätsgrad bereits mitberücksichtigt.

 

Normenkette

§ 7 I Abs. 2a AUB 88

 

Sachverhalt

Die Parteien stritten um die Bemessung einer Invaliditätsentschädigung. Der Kl. unterhielt bei der Bekl. eine Unfallversicherung, der die AUB 88, Besondere Bedingungen mit progressiver Invaliditätsstaffel (225 Prozent) und Besondere Bedingungen für Werbegrafiker mit verbesserter Gliedertaxe zugrunde lagen. Die Versicherungssumme betrug 300.000 DM.

Der Kl. erlitt einen Verrenkungsbruch des rechten Fußgelenks. Als Unfallfolge verblieben eine Versteifung des oberen und unteren Fußgelenks und eine Muskelminderung des rechten Ober- und Unterschenkels. Die Bekl. leistete als Invaliditätsentschädigung 129.000 DM. Der Kl. verlangte Zahlung weiterer 188.250 DM. Die Versteifung am rechten Fuß sei nach der vereinbarten Gliedertaxe mit 50 Prozent zu bemessen, sodass unter Anwendung der progressiven Invaliditätsstaffel ein Invaliditätsgrad von 75 Prozent maßgeblich sei, danach belaufe sich die Entschädigung auf 225.000 DM. Die weitere Beeinträchtigung des Beins sei mit 3/7 Beinwert zu bemessen, daraus errechne sich eine weitere Entschädigung von 92.250 DM.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines Betrages von 96.000 DM nebst Zinsen stattgegeben, im Übrigen hat es sie abgewiesen. Auf Berufung der Bekl. hat das Berufungsgericht (BG) die Klage insgesamt abgewiesen. Die Revision des Kl. führte zur Wiederherstellung des LG-Urteils.

 

Entscheidung

1. Wie der BGH ausführt, gehe das BG davon aus, dass die unfallbedingte Schädigung des Kl. in seinem Bein zu lokalisieren sei. Das folge aus dem in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachten, wonach der Kl. eine Sprunggelenkrollenfraktur erlitten habe, in deren Folge eine nahezu vollständige Versteifung des rechten oberen und unteren Sprunggelenks verblieben sei. Die Schädigung sei als teilweise Gebrauchsunfähigkeit des rechten Beins zu bewerten. Dem stehe nicht entgegen, dass nach Feststellung des Sachverständigen die Funktionsfähigkeit des Fußes im Fußgelenk zu 100 Prozent aufgehoben sei. Denn diese Einschätzung des Sachverständigen beruhe auf einer funktionellen Betrachtungsweise, die diesen gerade dazu veranlasst habe, den Schaden dem Bein und nicht dem Fuß zuzuordnen.

Das BG räume zwar ein, dass die Feststellung des Sachverständigen es nahe lege, die Schädigung nach der Gliedertaxe (§ 7 I Abs.2a AUB 88) unter "Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines Fußes im Fußgelenk" zu subsumieren. Die Schädigung des Kl. sei jedoch nicht auf die Funktionsunfähigkeit des Fußes beschränkt, sie stelle vielmehr eine Funktionsbeeinträchtigung des gesamten Beines dar. Dies sei mit einem Invaliditätsgrad von 3/7 Beinwert zu bemessen, sodass sich unter Einbeziehung der Invaliditätsstaffel eine Entschädigung von 105.000 DM errechne. Dem folgt der BGH nicht.

2. a) Die mit § 7 I Abs.2a AUB 88 vereinbarte Gliedertaxe - so der BGH - bestimme - nach einem abstrakten und geregelten Maßstab - feste Invaliditätsgrade bei Verlust oder - dem Verlust gleichgestellt - Funktionsunfähigkeit der mit ihr benannten Glieder. Gleiches gelte bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines durch die Gliedertaxe abgegrenzten Teilbereichs. Demgemäß beschreibe § 7 I Abs.2a AUB u. a. abgegrenzte Teilbereiche des Beins und ordne jedem Teilbereich einen festen Invaliditätsgrad zu, der mit Rumpfnähe des Teilbereichs steige. So bestimme die Gliedertaxe bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit des abgegrenzten Teilbereichs des Beins "Fuß im Fußgelenk" einen Invaliditätsgrad von 40 Prozent. Gehe der Fuß im Fußgelenk durch einen Unfall verloren oder sei der Fuß im Fußgelenk wegen eines unfallbedingten Dauerschadens vollständig funktionsunfähig, stehe der Invaliditätsgrad nach der Gliedertaxe unverrückbar fest.

Jedenfalls komme ein geringerer Invaliditätsgrad nicht mehr in Betracht, insbesondere nicht unter Berücksichtigung einer bloßen Bewertung der Auswirkungen der Funktionsunfähigkeit des Fußes im Fußgelenk auf das Restglied. Denn damit würde die von der Gliedertaxe vorgegebene Aufteilung des Glieds in Teilbereiche mit daran geknüpftem festen Invaliditätsgrad bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit unterlaufen. Die Ausstrahlungen eines Teilgliedverlustes oder einer Teilgliedfunktionsunfähigkeit auf das Restglied seien vielmehr bei dem für das Teilglied bestimmten Invaliditätsgrad bereits berücksichtigt. Diese Grundsätze habe das BG nicht ausreichend beachtet.

b) Nach dem Gutachten des Sachverständigen, dessen Beurteilung des Gesundheitszustands des Kl. das BG gefolgt sei, sei beim Kl. auf Dauer Funktionsunfähigkeit (100 Prozent) im rechten Fußgelenk eingetret...

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