5.1 Umfang der Verschwiegenheit
Wesentlich weitergehend als die zugrunde liegende Richtlinie hat sich der deutsche Gesetzgeber für eine umfassende Verschwiegenheitspflicht des Mediators entschieden (§ 4 MediationsG). Sie beschränkt sich nicht nur auf ihm anvertraute Geheimnisse, sondern gilt für alle Informationen, die der Mediator in Ausübung seiner Tätigkeit erlangt hat. Damit bezieht sich beispielsweise darauf,
- dass ein Mediationsverfahren zwischen bestimmten Parteien läuft oder lief,
- wie es verlaufen ist,
- welche Erklärungen abgegeben wurden,
- ob oder worauf sich die Parteien geeinigt haben oder
- woran eine Einigung gescheitert ist.
Die Verschwiegenheitspflicht besteht gegenüber allen Personen und Stellen, die nicht am Mediationsverfahren beteiligt sind und zwar solange wie der Mediator nicht von seiner Schweigepflicht entbunden ist. Der Tod der Partei oder das Ende der Berufstätigkeit des Mediators lassen die Schweigepflicht nicht entfallen. Sie wird ergänzt von einem Aussageverweigerungsrecht im Zivilprozess (§ 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO).
Verschwiegenheitspflicht gilt nur für Mediatoren
Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich dagegen weder auf die Parteien noch auf einbezogene Dritte, wie z. B. einbezogene Berater. Theoretisch wäre es bei Scheitern einer Mediation möglich, Mediationsinterna in einem sich anschließenden oder fortgesetzten Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren einzuführen. Um das zu verhindern, muss eine gesonderte Vertraulichkeitsregelung abgeschlossen werden.
5.2 Ausnahmen von der Verschwiegenheit
§ 4 MediationsG regelt auch die wenigen Ausnahmen von einer solchen Verpflichtung. Diese besteht nicht, soweit
- die Offenlegung des Inhalts der im Mediationsverfahren erzielten Vereinbarung zur Umsetzung oder Vollstreckung dieser Vereinbarung erforderlich ist,
- die Offenlegung aus vorrangigen Gründen der öffentlichen Ordnung geboten ist, insbesondere um eine Gefährdung des Wohles eines Kindes oder eine schwerwiegende Beeinträchtigung der physischen oder psychischen Integrität einer Person abzuwenden oder
- es sich um Tatsachen handelt, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.
In den Fällen 1 und 3 handelt es sich um eine sich quasi aus der Sache ergebende Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht, während der Fall 2 letztlich eine Güterabwägung darstellt.
Eine weitere Ausnahme wird für den Fall gemacht,
- in dem der Mediator selbst Partei ist, z. B. in einem Prozess, in dem er seine eigenen Vergütungsansprüche für die Mediation einklagt oder in einem Haftungsprozess gegen ihn.
Dann darf er solche Tatsachen vortragen, die zur Substantiierung seines Prozessvortrags unabdingbar notwendig sind.
Die Verschwiegenheitspflicht nach § 4 MediationsG ist lex specialis im Verhältnis zu etwaigen berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten (§ 43a Abs. 2 BRAO, §§ 2, 18 BORA bei Rechtsanwälten). Hier wird die Vorrangigkeit der berufsrechtlichen Regelung des Mediationsgesetzes vor den berufsrechtlichen Bestimmungen der Grundberufe deutlich. Ausdrücklich und zutreffend weist der Gesetzgeber darauf hin, dass es eine Belastung des Mediationsverfahrens darstellen würde und den Medianten kaum verständlich zu machen wäre, wenn der Umfang der Verschwiegenheitspflicht davon abhängig wäre, aus welchem Grundberuf ein Mediator entstammt. Noch schwerer nachvollziehbar wäre eine differenzierte Verschwiegenheitspflicht in den Fällen der Co-Mediation, also wenn mehr als ein Mediator tätig ist.
5.3 Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht
Offenbart der Mediator als Zeuge pflichtwidrig Tatsachen im Prozess, können sie dennoch verwertet werden.
Der zu redselige Mediator muss im Anschluss mit Schadensersatzansprüchen (§ 280 Abs. 1, § 823 Abs. 2 i. V. m. § 4 MediationsG) rechnen, wenn er schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Der Mediator muss seine Unschuld beweisen. Zwischen pflichtwidriger Offenbarung und Schaden muss Kausalität bestehen. Der Schaden kann z. B. in einer Beeinträchtigung der Kreditwürdigkeit, in einem ungünstigen Ausgang eines Gerichtsverfahrens oder in der Einleitung eines Insolvenzverfahrens bestehen.
Anwaltliche Mediatoren müssen darüber hinaus mit den berufsspezifischen Sanktionen rechnen (Warnung bis hin zur Ausschließung aus der Rechtsanwaltsschaft, § 114 BRAO).