Leitsatz
Die vom EuGH und vom BVerfG geforderte gesetzliche Neuregelung des Sorgerechts für nichteheliche Kinder ist auf dem Weg. Doch die Gerichte und betroffene Väter müssen die Neuregelung nicht abwarten, die Benachteiligung der Väter ist schon jetzt zu unterlassen.
Sachverhalt
Das Bundesjustizministerium bereitet eine Neukonzeption des Sorgerechts von nicht miteinander verheirateten Eltern vor. Ziel ist die grundsätzliche Statuierung eines gemeinsamen Sorgerechts der Eltern, wenn das Kindeswohl dem nicht entgegen steht. Damit kommt der Gesetzgeber einer Forderung des EuGH und des BVerfG nach. Letzteres hat die Rechte der nichtehelichen Väter aber schon für die Übergangszeit gestärkt. Die Bundesjustizministerin befürwortet eine Reform, die den betroffenen Vätern auch ohne vorherige gerichtliche Entscheidung die Möglichkeit zur Ausübung ihres Sorgerechts eröffnet. Ziel ist ein möglichst unbürokratisches Verfahren, bei dem das Wohl der betroffenen Kinder stets Dreh- und Angelpunkt aller Überlegungen ist, wobei die Sorge für ein minderjähriges Kind aber nicht nur das Recht sondern auch die Pflicht der Eltern sei.
Das BVerfG hat darauf hingewiesen, dass die jetzige Regelung mit dem grundgesetzlich geschützten Elternrecht des Vaters unvereinbar ist. Nach § 1626a BGB kann das Gericht ein gemeinsames Sorgerecht bisher nie gegen den Willen der Mutter verfügen. Nach § 1672 Abs. 1 BGB kommt auch die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den getrennt lebenden Vater nicht gegen den Willen der Mutter in Betracht. Diese Regelungen sind verfassungswidrig. Das BVerfG eröffnet dem nicht verheirateten Vater daher die Möglichkeit, schon jetzt eine gerichtliche Entscheidung auf Übertragung des gemeinsamen bzw. des alleinigen Sorgerechts auch gegen den Willen der Mutter zu beantragen. Die Verfassungsrichter betonen allerdings, dass entscheidender Maßstab für die gerichtliche Entscheidung in diesen Fällen allein das Kindeswohl sein könne. Sie stellen aber auch klar, dass die alleinige Übertragung des Sorgerechts auf den Vater bei entgegenstehendem Willen der Kindesmutter einen empfindlichen Eingriff in das Elternrecht der Mutter bedeutet. Insbesondere wenn einer Mutter das von ihr bisher alleine ausgeübte Sorgerecht entzogen werden soll, kommt dem Gesichtspunkt der Erziehungskontinuität und der bereits entstandenen Beziehung des Kindes zu seiner Bezugsperson Mutter eine wichtige Bedeutung im Rahmen der Kindeswohlerwägungen zu.
Link zur Entscheidung
BVerfG, Beschluss v. 21.7.2010, 1 BvR 420/09.