Leitsatz

Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung von Beschlüssen in Mehrhausanlagen mit Untergemeinschaften besteht schon dann, wenn die theoretische Möglichkeit einer Inanspruchnahme aus § 10 Abs. 8 WEG für den Anfechtungskläger besteht.

 

Normenkette

WEG § 10 Abs. 8, § 46 Abs. 1

 

Das Problem

  1. Nach der Gemeinschaftsordnung sind in der Wohnungseigentumsanlage "Untergemeinschaften" gebildet worden. § 11 der Gemeinschaftsordnung ordnet die getrennte Abrechnung in den einzelnen Untergemeinschaften an. Ferner sind getrennte Instandhaltungsrückstellungen zu bilden. Die Untergemeinschaften sollen in Bezug auf Kosten so behandelt werden, als seien sie eigenständige Gemeinschaften. Alle nicht einer Untergemeinschaft zuzuordnenden Kosten sollen allerdings gemeinschaftlich getragen werden. § 12 der Gemeinschaftsordnung ordnet für die jeweiligen Untergemeinschaften eigene Versammlungen an. Sie sind zuständig für das betroffene Sondereigentum und das damit verbundene gemeinschaftliche Eigentum. Die "Gesamteigentümergemeinschaft" ist insbesondere zuständig für Angelegenheiten, die den Außenbereich betreffen.
  2. Im November 2014 findet eine Versammlung statt. In dieser Versammlung werden die Erneuerung der Dachabdeckung und die Modernisierung des Personenaufzugs beschlossen. Vergleichsangebote werden den Wohnungseigentümern nicht vorgelegt und auch nicht mit der Einladung zur Versammlung übersandt. Das Dach gehört zu dem Gebäude A, die Modernisierung des Personenaufzugs bezieht sich auf das Gebäude C.
  3. Wohnungseigentümer K, dessen Sondereigentum im Gebäude B liegt, geht gegen diese 3 Beschlüsse vor. Das Amtsgericht weist die Klage ab. Die Klage sei unzulässig. K fehle wegen der getrennten Verwaltung der Untergemeinschaften das Rechtsschutzbedürfnis. K sei diesbezüglich von der Mitverwaltung ausgeschlossen. Die beschlossenen Maßnahmen beträfen nicht "die gesamte Gemeinschaft". Es handele sich unstreitig nicht um eine bauliche Veränderung. Auch sei K nach den Beschlüssen nicht an den Kosten beteiligt.
  4. Gegen diese Beurteilung richtet sich die Berufung des K. Mit Erfolg!
 

Die Entscheidung

Zulässigkeit der Anfechtungsklage

Die Klage des Klägers sei zulässig. Insbesondere könne K für sich ein Rechtsschutzbedürfnis an der Anfechtung beanspruchen.

  1. K sei durch die Beschlussfassung betroffen. Soweit es um die Anfechtung von Beschlüssen in Mehrhausanlagen (mit Untergemeinschaften) gehe, könnte allenfalls ein Rechtsschutzbedürfnis dann fehlen, wenn eine Haftung nach § 10 Abs. 8 WEG ausgeschlossen sei. Dies sei nicht der Fall. Eine finanzielle Belastung treffe K zwar an sich nicht direkt. Die Gemeinschaftsordnung lege fest, dass die Kosten, die den einzelnen Untergemeinschaften erwüchsen, von diesen zu tragen seien. Jedoch sei K einer unmittelbaren Haftung im Außenverhältnis gemäß § 10 Abs. 8 WEG ausgesetzt. Die "Haftung der Untergemeinschaft im Innenverhältnis" ändere nichts an der Haftung des K im Außenverhältnis. Trotz der Anerkennung der Rechtsfigur der Untergemeinschaft in Rechtsprechung und Literatur, werde deren Rechtsfähigkeit nicht anerkannt. Die Untergemeinschaft könne daher nicht am Rechtsverkehr teilnehmen. Sie könne nicht im Außenverhältnis Verbindlichkeiten eingehen und auch mangels eigenem Vermögen solche Verbindlichkeiten begleichen. Sie könne nicht verklagt werden. Daher könne es dazu kommen, dass K für "Verbindlichkeiten der Untergemeinschaft" nach § 10 Abs. 8 WEG im Außenverhältnis einzustehen habe. Alleine diese Möglichkeit der Haftung führe zum Rechtsschutzbedürfnis.
  2. BGH v. 10.11.2017, V ZR 184/16, bestätige diese Ansicht. Der Bundesgerichtshof befasste sich dort mit der Frage des Rechtsschutzbedürfnisses. Ein solches bejahe er im Falle der Anfechtung eines Beschlusses durch einen nicht einer bestimmten Untergemeinschaft zugehörigen Eigentümer, wenn er geltend mache, dass den "Mitgliedern einer Untergemeinschaft" wegen der damit verbundenen quotalen Außenhaftung aller Wohnungseigentümer die Beschlusskompetenz für Kosten verursachende Instandsetzungsmaßnahmen fehle.
  3. Soweit die Anfechtung die Reparatur des Daches des Gebäudes A betreffe, bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis im Übrigen schon deshalb, da K von der Beschlussfassung direkt betroffen sei. Durch die Beschlussfassung werde die Gesamtinstandhaltungsrückstellung belastet und gerade nicht nur die Instandhaltungsrückstellung der Untergemeinschaft.
  4. Durch den Vollzug der Beschlüsse sei auch keine Erledigung eingetreten. Zwar könne einem Anfechtungsverfahren das Rechtsbedürfnis fehlen, wenn der Beschluss durchgeführt und eine Rückgängigmachung ausgeschlossen sei und die Ungültigerklärung auch sonst keine Auswirkungen mehr haben könnte. So liege der Fall aber nicht. Denn es bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn zumindest im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer Folgenbeseitigungsansprüche in Betracht kämen. Allein durch die Vollziehung eines Beschlusses trete im Rahmen einer diesbezüglichen Anfechtung nicht die Erledigung ein. Ein Beschluss wirke auch noch nach Vollzug de...

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