Leitsatz
Ohne besondere vertragliche Vereinbarung hat auch ein Mieter von als exklusiv angepriesenen Büroräumen keinen Anspruch auf einen bestimmten Mietermix oder ein bestimmtes "Millieuniveau". Unterschichtpublikumsverkehr stellt hier noch keinen Mangel dar, wenn es nicht zu konkreten Gefahrensituationen und Belästigungen kommt.
Sachverhalt
Die Mieter haben 2003 für die Dauer von 10 Jahren Gewerberäume zum Betrieb einer radiologischen Gemeinschaftspraxis im 6. Obergeschoss eines 13-geschossigen Bürohochhauses gemietet. Sie begehren die Feststellung, seit März 2005 nur eine geminderte Miete zu schulden. Seit Januar 2005 sind die anfänglich leer stehenden Obergeschosse 2 bis 4 an die "Hartz-IV-Behörde" (Arbeitsgemeinschaft der Bundesagentur für Arbeit und des Landkreises, im Folgenden: Arge) nebst Drogenberatungsstelle und Schuldnerberatung vermietet. Dies führe nach Meinung der Mieter angesichts des hohen Publikumsaufkommens der Arge und des Verhaltens eines nicht unbeträchtlichen Teils ihres Kundenkreises zu Unzuträglichkeiten, die eine Minderung der Miete rechtfertigt. Allein aus der Tatsache, dass andere Räumlichkeiten im Gebäude an die Arge vermietet sind, lässt sich kein Mangel der gemieteten Räume herleiten. Es kommt vielmehr darauf an, ob es zu tatsächlichen Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs kommt.
Ohne besondere Absprachen kann aus der bloßen Vereinbarung einer deutlich über den örtlichen Spitzenpreisen liegenden Miete, auch vor dem Hintergrund eines das "einmalige Ambiente" und die"angenehme Atmosphäre" hervorhebenden Exposés, noch keine Verpflichtung des Vermieters abgeleitet werden, einen bestimmten "Mietermix" oder ein bestimmtes "Milieuniveau" zu bewahren. Die Mieter haben daher keinen Anspruch darauf, dass sich im Umfeld ihrer Mieträume nur Kunden oder Besucher anderer Mieter einfinden, die einer"gehobenen" Bevölkerungsschicht angehören oder sich durch ein angenehmes Erscheinungsbild und Verhalten auszeichnen.
Selbst wenn es so sein sollte, dass sich unter den Besuchern der Arge einschließlich der von ihr für ihre Kunden betriebenen Schuldner- und Suchtberatung ein überdurchschnittlich hoher Anteil sozial auffällig gewordener Personen befinde, kann für sich allein die Annahme eines Mangels noch nicht rechtfertigen. Dies setzt vielmehr voraus, dass der vertragsgemäße Mietgebrauch hierdurch konkret beeinträchtigt wird. Das ist nicht schon der Fall, wenn einzelne Mieter, deren Mitarbeiter oder Kunden sich allein wegen der Vorstellung, mit einem solchen Personenkreis konfrontiert werden zu können, in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigt fühlen. Erst wenn wiederholt konkrete Anlässe oder Gefahrensituationen auftreten, die dem Besucher- oder Kundenkreis eines anderen Mieters zuzuordnen sind, kommt dieser Umfeldeinfluss als mietrechtlich relevanter Mangel in Betracht.
Ohne Belang ist auch die Zahl der Kunden, die sich gleichzeitig in den Räumen eines Mitmieters aufhalten und während dieser Zeit nach außen nicht in Erscheinung treten. Für die von einem Mitmieter wahrzunehmende Belastung des Gebäudes mit Publikumsverkehr kommt es allein auf die Zahl derer an, die sich zu gleicher Zeit in den allgemein zugänglichen Bereichen des Gebäudes aufhalten.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 15.10.2008, XII ZR 1/07.