Leitsatz
Lässt eine Wohnungsgenossenschaft an einem Mehrfamilienhaus Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten durchführen und hat ein Teil der Mieter wegen der damit verbundenen Beeinträchtigungen die Miete gemindert und ein anderer Teil hierauf verzichtet, so ist der genossenschaftsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung der Mitglieder nicht verletzt, wenn die Genossenschaft die jeweiligen Mietergruppen hinsichtlich der Mieterhöhung unterschiedlich behandelt.
(Leitsatz der Redaktion)
Normenkette
BGB § 558
Kommentar
Zwischen einer Genossenschaft (Vermieterin) und deren Mitglied (Mieterin) besteht ein Nutzungsvertrag über eine in Köln gelegene Wohnung. Die Miete betrug zuletzt 376,20 EUR. Im Herbst 2005 wurden an dem Gebäude Modernisierungs- und Instandhaltungsarbeiten ausgeführt. Die Mieterin hat die Miete wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung durch Baulärm und -schmutz um 50 % gemindert. Die Vermieterin hat die Mieterin schriftlich darauf hingewiesen, dass die Miete trotz der Modernisierung nicht erhöht werde. Im Hinblick hierauf möge die Mieterin auf ihre Minderungsbefugnis verzichten; anderenfalls müsse sie mit einer Mieterhöhung rechnen. Die Mieterin hat die Miete gleichwohl gemindert. Alle anderen Mieter haben die Miete in voller Höhe weiterbezahlt.
Mit Schreiben vom 9.3.2006 hat die Vermieterin von der Mieterin Zustimmung zur Mieterhöhung von 376,20 EUR um 34,14 EUR auf 410,34 EUR verlangt. Für alle anderen Mieter blieb die Miete unverändert. Nach Ansicht der Mieterin verstößt diese Praxis gegen das genossenschaftsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung der Mitglieder der Genossenschaft.
Der BGH sieht das anders: In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass eine Genossenschaft ihre Mitglieder gleich behandeln muss (BGH, Urteil v. 11.7.1960, II ZR 24/58, NJW 1960 S. 2142). Jedoch wird dieser Grundsatz nur verletzt, wenn die Genossenschaft gleiche Gegebenheiten unterschiedlich behandelt. Im Entscheidungsfall wurden alle Mieter durch die Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten im Mietgebrauch gestört. Deshalb waren die Mieten kraft Gesetzes gemindert (§ 536 BGB). Jedoch kann jeder Mieter auf die Durchsetzung der daraus folgenden Rechte verzichten. Vorliegend hat nur die Mieterin die Miete gemindert; alle anderen Mieter haben von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht. Deshalb war die Genossenschaft befugt, die betreffenden Mietergruppen hinsichtlich der Mieterhöhung unterschiedlich zu behandeln.
1. Die Entscheidung des BGH hat über den entschiedenen Sachverhalt hinaus praktische Bedeutung. Das AG Berlin-Schöneberg hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem eine Wohnungsgenossenschaft Mietverträge mit einer unwirksamen Renovierungsklausel verwendet hatte. Die Genossenschaft hat ihre Mitglieder aufgefordert, eine Nachtragsvereinbarung mit einer wirksamen Klausel zu akzeptieren. Dieser Aufforderung ist ein Teil der Mitglieder gefolgt; ein anderer Teil hat den Abschluss der Nachtragsvereinbarung verweigert. Gegenüber dieser Mietergruppe hat die Genossenschaft die Miete um ca. 25 EUR erhöht; gegenüber der anderen Gruppe hat die Genossenschaft auf eine Mieterhöhung verzichtet. Auch diese Praxis verstößt nicht gegen den genossenschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (AG Berlin-Schöneberg, Urteil v. 3.6.2009, 7a C 357/08, GE 2009 S. 1195 m. Anm. Börstinghaus, jurisPR-MietR 24/2009 Anm. 4).
2. Die Entscheidung gilt nur für Wohnungsgenossenschaften. Für sonstige Vermieter besteht grundsätzlich keine Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Mieter (Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., § 535 BGB Rdn. 96 m. w. N.).
Verzichtsregelung vereinbaren
In geeigneten Fällen empfiehlt sich eine vertragliche Regelung, wonach der Vermieter auf eine modernisierungsbedingte Mieterhöhung und der Mieter auf die Minderungsbefugnis verzichtet. Eine solche Regelung kann wegen § 536 Abs. 4 BGB allerdings nicht im Mietvertrag, sondern muss im Zusammenhang mit der Modernisierung getroffen werden.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 14.10.2009, VIII ZR 159/08, WuM 2009 S. 744 m. Anm. Eisenschmid, jurisPR-MietR 2/2010 Anm. 2